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Die Geschichte der Definition von Scotch Whisky - Teil I

Die Geschichte der Definition von Scotch Whisky - Teil I

13.11.2020 18:31


Die alte Glenugie-Brennerei

In den nächsten Wissens-Artikeln wollen wir die Entwicklung und die rechtlichen Hintergründe der Marke "Scotch" Whisky etwas beleuchten, von den Anfängen des Streits, ob auch Column still whisky "Whisky" heißen darf bis zur Scotch Whisky Technical File.


The king o' drinks – so nannte Robert Louis Stevenson, Autor von „Die Schatzinsel“ das schottische Nationalgetränk. Zu seiner Zeit (1850 – 1894) wurde Whisky in Schottland unter gänzlich anderen technologischen und wirtschaftlichen Bedingungen hergestellt als heutzutage. Auch gab es kein so klares und umfassendes Regelwerk was sich Whisky und Scotch Whisky nennen darf, wie wir es heute kennen.

Um dieses Thema sollen sich die nächsten beiden Artikel im Fassstark-Blog drehen: Was ist eigentlich Scotch Whisky?

Einiges Grundlegendes ist sicherlich jedem bekannt, der sich intensiver mit Whisky auseinandersetzt. Zum Beispiel, dass ein Single Malt Scotch in nur einer Brennerei aus gemälzter Gerste gebrannt werden darf. Aber auch in den Whiskyforen, in denen sich fortgeschrittene Genießer tummeln, taucht immer wieder die eine oder andere Frage auf, die einen Blick in das Regelwerk nötig macht. Zunächst wollen wir uns in diesem Artikel mit der Geschichte der Gesetzgebung um Scotch Whisky beschäftigen, grob die Historie nachzeichnen und versuchen, in einen groben historischen Kontext zu bringen. Daraufhin werden wir im zweiten Teil die „Scotch Whisky Technical File“ und insbesondere die Änderungen beleuchten, die sich aus der Novellierung dieser im Jahr 2019 ergeben haben.

Teil 1 - Die Historie der rechtlichen Anforderungen an Scotch Whisky

Lange Zeit gab es zu Scotch Whisky keine genauen rechtlichen Regelungen, also welche Bedingungen ein Getreidebrand erfüllen muss, um sich Scotch Whisky nennen zu dürfen. Schon in der Mitte des 19. Jahrhundert mehrten sich Stimmen in der Branche, dass irischer pot still whisky mit schottischem patent still whisky verschnitten wurde. Eine Arbeitsgruppe des House of Commons, dem britischen Unterhaus, befasste sich 1891 damit, kam aber zu dem Ergebnis, dass es keine offizielle Definition gäbe, und es wollte hierzu auch keine erstellen [1].
Besteuert wurde die proof gallon of spirit, also eine Gallone (etwa 4,55l) Brand bei 57,15 Volumenprozent (ab Einführung der Definition als 12/13 der Dichte von Wasser bei selber Temperatur) [2].
Exportiert wurde damals deutlich weniger als heute, daher gab es schlicht noch nicht die Notwendigkeit, ein enges Regelwerk zu erstellen. Zudem hätte eine strengere Reglementierung womöglich den Boom um Whisky gebremst. Brandy und Wein, welche eigentlich die Getränke der Wahl der britischen Oberschicht waren, waren aufgrund der schon seit Jahrzehnten grassierenden Reblausplage selten und teuer.

Es sollte weitere 17 Jahre dauern, bis sich ein königlicher Ausschuss dem Thema „Definition von Whisky“ annahm. Hintergrund hierfür war ein schwelender Disput zwischen den Herstellern von pot still whisky, allen voran die Brennereien aus Irland, und den Herstellern von patent still whisky. Von Letzterem hat sich das Produktionsvolumen immer stärker erhöht, und es gab das Interesse seitens der pot still whisky-Produzenten, dass dieser sich nicht mehr Whisky nennen dürfe. Als Argument wurde angeführt, dass dieser zu deutlich höheren Alkoholgraden destilliert wurde und ein „empty spirit“ sei, dem der Geschmack nach den Rohstoffen fehle. Dieser Ausschuss schlug nun vor, Whisky als „a spirit obtained by distillation from a mash of cereal grains saccharified by a diastase of malt" zu definieren. „Scotch whiskey“ [sic] ist hierbei wie zuvor beschrieben, aber in Schottland gebrannt worden [3]. Das war ganz nett, aber noch nicht in Gesetzestext gebannt. Zudem war es eine Schlappe für die pot still-Fraktion. Deren Forderung, dass nur pot still whisky auch wirklich Whisky sei, wurde nicht berücksichtigt.


Nun sollte man meinen, dass hiermit ein Grundstein gelegt wurde.
Wir schreiben mittlerweile das Jahr 1915 – hier wurde nun endlich festgelegt, dass Whisky mindestens drei Jahre in Fässern gelagert werden musste, mit einer Übergangsfrist von einem Jahr, in welchem Whisky noch mit zwei Jahren Reifezeit auf den Markt gebracht werden konnte. Dann musste es ja wohl eine Definition von Whisky geben! Falsch! Der Immature Spirits (Restriction) Act spricht schlicht von allen Spirituosen [4]. Es ist also keine whiskyspezifische, und erst recht keine Scotch-spezifische Gesetzgebung. Der Hintergrund hierzu war, dass eine Prohibition ähnlich der Prohibition in Russland drohte. Trunkenheit war verbreitet, und es gab auch im Vereinigten Königreich Politiker, die eine Prohibition nach russischem Vorbild forderten. Die britischen Männer sollten kriegsbereit sein, da war Trunkenheit natürlich hinderlich. Durch geschickte Lobbyarbeit der Whiskyindustrie (allen voran die DCL, der Vorgänger Diageos) gelang es die Gesetzgeber zu überzeugen, dass lediglich die ungelagerten, scharfen Spirituosen die britischen Männer zum übermäßigen Trinken animierten, nicht der Genuss feiner, gelagerter Brände.

Es sollte noch bis 1933 dauern, bis im „Finance Act“ der Definition von 1908 gefolgt wurde. Und dennoch: Schätzungen zufolge wurde weiterhin bei 10% aller Blends im Jahr 1938 schottischer pot still whisky mit irischem patent still whisky gemischt, und in Kanada eine Mischung aus schottischem pot still whisky mit kanadischem patent still whisky als Scotch Whisky verkauft, woraufhin es zu einem weiteren Verfahren kam [1]. Doch halt – war es einige Jahrzehnte nicht genau anders herum? Korrekt, dies hat auch einen bestimmten Grund: nach dem 1. Weltkrieg war schottischer Grain Whisky knapp. Vor dem Justiciary Appeal Court of Scotland wurde 1939 dann schließlich vom Lord Justice General geurteilt, dass um der Beschreibung „Scotch Whisky“ gerecht zu werden, der komplette Inhalt einer Flasche, eines Fasses usw. in Schottland hergestellt werden muss [1].
Dieses Urteil fand dann schließlich im "Customs and Excise Act" von 1952 Einzug, welches definierte, dass „spirits described as Scotch Whisky shall not be deemed to correspond to that description unless they have been obtained in Scotland from a mash of cereal grain saccharified by the diastase of malt and have been matured in warehouse in cask for a period of at least three years”.
Um dieses Urteil früher in einen Gesetzestext zu bannen, gab es aufgrund des zweiten Weltkrieges, und der damit einhergehenden Stilllegung der meisten Brennereien schlicht keine Notwendigkeit – nach dem Weltkrieg war zunächst die Neuordnung Europas wichtig.

Dies sollte dem Jahrzehnte andauernden Disput ein vorläufiges Ende setzen und den rechtlichen Rahmen abstecken, welcher so zunächst einige Jahrzehnte Bestand hatte. Und es gab auch kein Grund, etwas daran zu rütteln – Whisky hatte eine relative Hochphase, die in einem Einbruch des Absatzes enden sollte, der seinen Tiefpunkt um 1981-1983 haben sollte. Eine Mitursache für Letzteres war die Rezession der 1980er, welche oft als größte Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg bezeichnet wird. [4] Die in den 1970ern in Großbritannien grassierende Inflation, deren Nachwehen sich bis in die 1980er gezogen haben, sind hierbei ebenso mit ursächlich, da die Deflationspolitik Margaret Thatcher Importe günstiger machte als lokale Unternehmen zum Beispiel Kohle fördern konnten – Arbeitslosigkeit und fehlendes Einkommen zum Kauf von Whisky war die Folge. [5], [6] Verschärft hatte sich dies weiterhin dadurch, dass diese Wirtschaftskrise auch die wichtigsten Absatzmärkte für Scotch in der westlichen Hemisphäre betraf. Die finale Folge war: Das Brennereisterben, welchem viele heute legendäre Brennereien erlagen.

Der Absatz von Scotch Whisky war wie erwähnt stark gesunken, es war nötig diesen attraktiver zu gestalten, zudem gab es immer noch Schlupflöcher, um vom Nimbus „Scotch“ zu profitieren.
Die erste gesetzliche Regelung, die sich nun explizit nur dem schottischen Nationalgetränk widmete, war der Scotch Whisky Act von 1988 [7] und auch dieser war relativ rudimentär. Zuerst einmal wurde verboten alles, was nicht den Regelungen entsprach, unter der Bezeichnung „Scotch Whisky“ zu verkaufen. Die Bedingungen aus Kapitel 3 waren die Folgenden:
Scotch Whisky ist in Schottland gebrannt und destilliert auf Basis einer Getreidemaische die:
- Mit oder ohne Zugabe künstlicher Enzyme und durch die Diastase des enthaltenen Malzes verzuckert sowie
- Durch die Wirkung von Hefe vergoren wurde.

Weiterhin durfte bis zu einem maximalen Alkoholgehalt von 94,8 vol.-% gebrannt werden (so dass laut Gesetzestext Aroma und Geschmack erhalten bleiben, die sich aus den Rohstoffen ableiten lassen) und mindestens drei Jahre lang in Holzfässern bis maximal 700l Fassungsvermögen gereift werden.

Interessant ist es zu sehen, dass es keine Beschränkung auf Eichenfässer gab, und auch keine Unterscheidung zwischen Malt und Grain Whisky. Zudem waren künstliche Enzyme explizit erlaubt!
Schon gut 2 Jahre später, in der Scotch Whisky Order von 1990, wurde die Definition verfeinert. Scotch musste nun:
- Aus einer Mischung aus Wasser und Malz bestehen, dem andere Getreidearten beigefügt werden durften, in einer schottischen Brennerei zu einer Maische verarbeitet werden,
- Welche mit nur aus dem Getreide entspringenden Enzymen verzuckert wird und
- Nur durch die Zugabe von Hefe fermentiert werden darf.

Die weiteren Bedingungen waren eine Destillation bis maximal 94.8 vol-%, eine Lagerung von mindestens drei Jahren in Eichenfässern mit maximal 700l Volumen in den Steuerbehörden angemeldeten Lagerhäusern und, dass lediglich Wasser und Zuckercouleur beigegeben werden müssen. Ferner muss mit mindestens 40 vol-% abgefüllt werden. [8]

Scotch hatte somit eine Definition, die dem Verbraucher ein qualitatives Produkt garantieren sollte.
Doch war dieser Rahmen, wie die Zeit zeigte, nicht eng genug. Hierauf wollen wir dann im nächsten Teil genauer eingehen, in welchem wir die Entwicklung seit der Jahrtausendwende genauer betrachten wollen, insbesondere die aktuelle Novellierung.

Autor: Sound of Islay

[1]: http://theses.gla.ac.uk/3085/
[2]: klick
[3]: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2320549/?page=4
[4]: klick
[5]: https://en.wikipedia.org/wiki/Early_1980s_recession
[6]: klick
[7]: klick
[8]: https://www.legislation.gov.uk/uksi/1990/998/contents/made

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  • Erstellt von Sound of Islay In der Kategorie Wissen am 13.11.2020 18:31:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 22.11.2020 18:20
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