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Die Reifung von Whisky im Eichenfass oder der Irrtum über inaktive Fässer

 

In vielen Ländern der Welt werden Holzfässer zur Reifung von Whisk(e)y eingesetzt. Aber nur in wenigen Ländern ist Eiche dafür gesetzlich vorgeschrieben, so wie es in Schottland der Fall ist. Dennoch werden weltweit fast ausschließlich Eichenfässer zur Reifung von Whisky benutzt. In den USA geht man sogar soweit, dass für viele Whiskey-Arten neue ungebrauchte Fässer aus amerikanischer Weißeiche gesetzlich vorgeschrieben sind. Dass frische Fässer einen sehr großen Einfluss auf das reifende Destillat haben ist bekannt. Ebenso bekannt ist die Tatsache, dass dieser Einfluss mit der Zeit und nach jeder Belegung bzw. Neubefüllung nachlässt.


Woher kommen diese Aromen, die der Whisky aus dem Holzfass aufnimmt?


Beim Zusammensetzen eines Fasses sind die Dauben noch grade. Um sie biegen zu können, werden die halbfertigen Fässer einer Wärmebehandlung unterzogen, dem Toasting. Das Fass wird über ein in einer kleinen Tonne brennendes Feuer gestülpt. Die befeuchtetem Dauben werden biegsam und können mit einem Gurt zusammengezogen werden. In großen Küfereien geschieht das heute mit einer etwas anderen Technik ohne offenes Feuer, sondern ausschließlich mit heißem Wasserdampf. Das Fass bekommt seine endgültige Form und kann vollendet werden. Hierzu erfolgt anschießend noch eine Wärmebehandlung in einer Art Backofen zwischen 5 und 30 Minuten (die Dauer ist unter anderem abhängig von der Dicke der Dauben). Ein gewünschter Nebeneffekt dieser Prozedur ist, dass bestimmte Bestandteile im Holz durch die starke Hitze (bis zu 200° Celsius und mehr) aktiviert werden. So wird unter anderem Lignin in Vanillin umgebaut, die Cellulose wiederum in verschiedene Zuckerverbindungen, wie Fruktose und Glukose.


 

Daubenstück Bourbonfass


 

Daubenstück Sherryfass


Wird das Fass zusätzlich ausgebrannt (was man als Charring bezeichnet), wird dieser Effekt verstärkt und weitere Aromen bilden sich. So entstehen bestimmte Farbstoffe und es bilden sich Karamellnoten. Hierzu werden die Fässer (noch ohne oder nur mit einem Deckel) über ein sehr starkes Feuer gestellt oder vor einem Gasbrenner gerollt, so dass die Innenseite der Dauben zu brennen beginnen. Dieser Vorgang dauert zwischen 15 Sekunden und bis zu mehreren Minuten. Insbesondere in den USA, aber nicht nur dort, wird diese Methode gezielt eingesetzt. Wie lange oder stark dieses Ausbrennen erfolgt geben die Brennereien vor. Schneidet man eine Fassdaube, die getoastet und ausgebrannt wurde durch, kann man eine feine rötliche Linie im Holz erkennen (die Red Layer). Sie zeigt, wie weit die Wärme das Holz aktiviert hat.

 

Red Layer

 

Bei den sehr stark ausgebrannten Fässern bildet sich eine dickere Holzkohleschicht auf der Innenseite der Fässer. Diese Aktivkohleschicht filtert zusätzlich unerwünschte Bestandteile aus dem Rohbrand. Bei der stärksten Stufe ist diese verbrannte Holzschicht mehrere Millimeter dick und stark zerklüftet. Die Holzoberfläche im Inneren des Fasses vergrößert sich dadurch und das Rohdestillat kann noch tiefer ins Holz eindringen. Bei der extremsten Form des Ausbrennens sieht die Fassinnenseite dann aus wie die Haut eines Alligators. Durch die Verwendung solcher Fässer, hat der Ardbeg Alligator auch seinen Namen bekommen.

 

In den USA werden die Fässer oft nur kurz (in der Regel 2 bis 4 Jahre) für die Reifung von Bourbon genutzt. Es bleiben also viele Aromen im Holz der Fässer enthalten und werden an eine zweite oder dritte Belegung abgegeben. Ein Fass, das zum ersten Mal mit schottischem Whisky gefüllt ist, wird als First Fill bezeichnet. Ob vorher Bourbon, Rum, Sherry, Port oder eine andere Spirituose beziehungsweise Wein / Süßwein im Fass gelagert wurde, spielt dabei keine Rolle. Es handelt sich also streng genommen um eine Zweitbefüllung. Der Whisky wird aber eher selten länger als 12 Jahre in einem First Fill Fass verbleiben, da sonst die Aromen aus dem Holz zu stark werden können. Das ist auch ein Grund, warum in Schottland kaum neue, ungebrauchte Fässer für eine Erstbefüllung genutzt werden. Solche, auch als Virgin Oak bezeichneten Fässer, kommen fast nur für eine kurze Nachlagerung – ein Finish – zum Einsatz. Der reifende Whisky kann in ein Second Fill oder Refill Fass deutlich länger verbleiben. Der geringere Aromeneintrag kann hierbei durch einen längeren Reifezeitraum zum Teil kompensiert werden.


Was passiert im Fass während der Lagerung?


Das eingefüllte Alkohol / Wasser Gemisch dringt in das Holz ein. Die Flüssigkeit wird sozusagen direkt von den Holzzellen aufgesaugt, ähnlich wie bei einem Schwamm, und das Holz quillt auf. Wie weit die Flüssigkeit ins Holz eindringt, hängt hauptsächlich von drei Faktoren ab: Holzdichte, Temperatur und Feuchtigkeit. Wächst ein Eichenbaum langsam, so sind die Zellen kleiner und das Gewicht ist größer und damit auch die Dichte – die Flüssigkeit kann nicht so tief in das Holz eindringen. Bei hohen Temperaturen, aber auch bei einer sehr niedrigen Luftfeuchtigkeit ergibt sich ein ähnlicher Effekt. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum die kühlen und feuchten Dunnage Lagerhäuser in Schottland als besonders geeignet für die Reifung von Whisky gelten: die Flüssigkeit kann tiefer ins Holz eindringen und mehr Aromen aufnehmen. Zudem verlieren die Fässer dort durch die feuchte Umgebungsluft mehr Alkohol als Wasser über die Verdunstung. Der Whisky wird milder und weicher.


Wird das Fass mit dem Rohbrand befüllt, dringt dieser in das Holz ein. Die Flüssigkeit löst dabei einen Teil der Farbstoffe, die sich in den Holzzellen befinden. Diese Farbstoffe gehen in den zukünftigen Whisky über und färben ihn bräunlich oder, wenn Wein / Sherry vorher in Fass gelagert wurde, rötlich ein. Das geschieht vergleichsweise schnell in nur wenigen Wochen. Danach geht die weitere Färbung des Destillates immer deutlicher zurück. Einen Teil der Farbstoffe treibt die Flüssigkeit aber vor sich her und somit tiefer ins Holz. An dem Punkt, an dem das Alkohol / Wasser Gemisch in der Fassdaube zu verdunsten beginnt und somit die Flüssigkeit stoppt, bildet sich eine klar sichtbare Farbstofflinie aus: die Spiritline.


 

Rioja Fassdaube


An der Spiritline erkennt man auch, wie weit das Alkohol / Wasser Gemisch aus den Dauben Aromen entzogen hat, an der Farbe der Daubeninnenseite, wie viele. Je häufiger und je länger das Fass zur Reifung genutzt wird, umso weniger dieser Inhaltsstoffe sind noch in dem Bereich vorhanden, in dem das Destillat eingedrungen ist. Das Holz laugt aus. Die additive Reifung und somit die Abgabe von Aromen und Farbe vom Holz an den reifenden Whisky geht deutlich zurück, da die Aromen irgendwann fasst vollständig dem Holz entzogen sind. Viele Fässer werden daher in Schottland nach der dritten Füllung aufgearbeitet und einer Verjüngungskur unterzogen. Das bezeichnet man als Rejuvenation. Ein Teil der ausgelaugten Holzschicht (vor allem die Holzkohleschicht) wird dabei aus den Fässern heraus gefräst. Dann werden sie innen erneut ausgebrannt. Eine frische Holzkohleschicht entsteht und die gewünschten Aromen bilden sich neu. Die Fässer können wieder in den Kreislauf gehen. Je nach Dicke der Dauben, kann ein Fass ein, ggf. auch ein zweites Mal aufbereitet werden. Danach sind sie zu dünn und würden die Belastungen nicht überstehen. Es gibt aber auch Holzfässer, die von Anfang an so dünne Fassdauben besitzen, dass diese nicht aufgearbeitet werden können. Sherry-Fässer erhalten zusätzlich eine Zwischenbelegung mit jungen Sherry für mehrere Monate, um auch diese Aromen wieder aufzufüllen. Diese Behandlung mit Sherry könnte sogar deutlich häufiger vorgenommen werden, da sie unabhängig von der mechanisch / thermischen Behandlung der Holzdauben erfolgen kann. Es werden also nur die Sherry-Aromen in den Holzzellen der Fassdauben wieder aufgefüllt. Aber nicht alle Fässer werden wie beschrieben aufgearbeitet. Etliche werden einfach weiter genutzt und ein viertes, fünftes oder gar sechstes Mal gefüllt. Eine aktive / additive Reifung findet eigentlich schon bei der vierten Belegung fast nicht mehr statt. Und spätestens danach spricht man dann von toten oder inaktiven Fässern insofern sie nicht in irgendeiner Weise behandelt und aufgefrischt wurden.


Warum werden solche inaktiven Fässer aber weiter eingesetzt?


Glenrothes nutzt solche Fässer gezielt, um Malt Whisky, der vom Geschmack und Komplexität genug Aromen aufgenommen hat, bis zur Abfüllung zu "parken". Sie sind aber nicht die einzigen, die solche ausgelaugten Fässer gezielt einsetzen. Rauchiger Whisky verliert in einem solchen Fass nicht so schnell seine Rauch- und Phenolnoten – sie werden nicht so stark durch andere Aromen überdeckt. So weit, so gut. Das "Parken" von Malt Whisky ergibt also Sinn, aber eine längere Lagerung?


Warum sollte man einen Whisky sonst in ein inaktives Fass füllen, wenn er dort nicht mehr reift?


Schon in dieser Fragestellung liegt der Irrtum. Denn eine Reifung findet auch in solchen Fässern statt, nämlich die subtraktive Reifung. Es kommen zwar keine neuen Aromen hinzu. Aber die Oxidation und das "Atmen" der Fässer ist nicht gestoppt. Das ist auch gar nicht möglich, da das Holz nicht seine physikalischen Eigenschaften verliert, sondern nur einen großen Teil seiner Inhaltsstoffe und Aromen. Die Fässer verlieren also weiter Wasser und Alkohol, Aromen werden in chemischen Vorgängen weiter um- und abgebaut. Der Whisky wird langsam weicher und runder. Auch hierbei spielt das Holzfass eine wichtige Rolle. Die Holzdauben sind "atmungsaktiv". Sie beschleunigen diese chemischen Vorgänge und insbesondere die Oxidationsprozesse im reifenden Destillat. Die Fässer sind also alles andere als inaktiv. Von daher macht auch ihr Einsatz Sinn. Selbst in einem Stahltank würden solche Oxidationsprozesse weiter laufen, wenn genug Sauerstoff im Tank ist. Nur eben nicht so wie im Holzfass und auch nicht so schnell. Ein Grain Whisky z.B. wird also weicher ohne aus der Eiche nach 40 Jahren übermäßig Tannine und Bitterstoffe aufzunehmen.


Ein weiterer Bereich, in dem solche inaktiven Fässer zum Einsatz kommen, ist das Verheiraten oder Blending von Single Malt oder Blended Scotch. Einige Unternehmen füllen die in einem Stahltank gemischten Whiskys einer einziger oder mehrerer Brennereien wieder in solche ausgelaugten Fässer, um ihnen ausreichende Zeit zu geben, sich harmonisch zu verbinden. Hier kommen vor allen Butts zum Einsatz. Der Zeitraum schwankt dabei von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten. Der Geschmack ändert sich dabei nicht mehr spürbar, da keine Aromen aus den ausgelaugten Fässern in den Inhalt übergehen können. Würde man einen Whisky über 40 Jahre und mehr in einem neuen, zum ersten Mal genutzten Eichenfass lagern, wäre er wohl ungenießbar. Die Kombination verschieden oft genutzter Fässer kann also helfen, einen Whisky mit einem sehr hohen Alter und einer außergewöhnlichen Qualität zu erhalten. Das Zusammenspiel von additiver und subtraktiver Reifung ergibt erst ein harmonisches Endprodukt.


Wer inaktive Fässer mit dem Ende der Reifung gleichsetzt irrt also. Whisky verändert sich auch in solchen Fässern weiter. Inaktiv bedeutet nur, dass keine additive Reifung mehr stattfindet. Es bedeutet aber nicht das Ende der Reifung an sich.


Autor: Eagle Eye






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