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Die Bewertung von Whisky

Die Bewertung von Whisky

14.02.2020 10:21

Sterne, Punkte, Noten!



Eine Frage beschäftigt die Gemeinschaft der Whiskygenießer seit vielen Jahren: Ist es möglich, die Qualität von Whisky objektiv zu bewerten und wie sinnvoll sind Bewertungen und Wertungskategorien überhaupt? Der Autor unternimmt den zum Scheitern verurteilten Versuch einer Beantwortung.


Die Bewertung von Whisky



Die Individualität der Sinneseindrücke

Sinneswahrnehmungen sind höchst individuell. Zwar sind die Auslöser der Wahrnehmung für jeden Menschen identisch, also im Fall von Schmecken und Riechen die chemische Zusammensetzung des wahrgenommenen Stoffes, aber die Wirkung, welche die Wahrnehmung erzeugt, ist bei jedem Menschen anders. Das liegt daran, dass Sinneseindrücke erlernt werden müssen. Kein Mensch weiß vom Beginn seines Lebens an, wie eine Banane schmeckt und riecht. Er lernt durch Erfahrung, dass die Wahrnehmung bestimmter chemischer Moleküle einer Banane zuzuordnen sind. Da jedoch die Entwicklung und Erfahrung eines jeden Menschen anders verläuft und sich somit für jeden Menschen eine eigene, individuelle „Sinnesdatenbank“ entwickelt, nimmt jeder Mensch Sinneseindrücke unterschiedlich wahr. Würde man ein Kind von Geburt an lehren, dass Salat wie Thunfisch schmeckt, würde es beim blinden Verkosten von Thunfisch danach behaupten, Salat gegessen zu haben.
Dazu kommt, dass die Sinnesorgane eines jeden Menschen unterschiedlich entwickelt sind. Dies kann genetische Gründe haben, an Alterung und an Umwelteinflüssen liegen. Die Sinneszellen leiten die aufgenommene Wahrnehmung an das Gehirn weiter und erst das Gehirn „baut“ aus den chemischen Impulsen einen Geschmack, einen Geruch, ein Geräusch oder ein Bild. Dabei ist das Gehirn erstaunlich trickreich. Tatsächlich müsste z.B. das Bild, was wir durch unsere Augen wahrnehmen, permanent zum Teil durch unsere eigene Nase verdeckt sein, jedoch wird die Nase vom Gehirn einfach ausgeblendet.
Da also das Gehirn die Sinneseindrücke erst entstehen lässt bzw. übersetzt aufgrund von Erfahrungen, welche in der „Sinnesdatenbank“ gespeichert sind, können die Wahrnehmungen jedes Einzelnen nur unterschiedlich sein und müssen gar nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Als Beispiel mag die Wahrnehmung von Salz im Whisky dienen. Wie an anderer Stelle berichtet wurde, ist in Whisky nachweislich kein Salz enthalten. Trotzdem nehmen viele Genießer Salz im Geschmack des Whiskys wahr. Das liegt daran, dass die chemische Zusammensetzung des Whiskys Reize der Geschmackszellen auslöst, welche vom Gehirn mit „Salz“ übersetzt werden. Wenn man so möchte, ist das ein Übersetzungsfehler. Manche nehmen das als Salz wahr, andere nicht.

Aromen als Qualitätsmaßstab



Wenn nun also aufgrund der oben beschriebenen Sachverhalte nicht jeder Mensch Aromen gleich übersetzt, kann für eine vergleichbare Qualitätsbeurteilung eines Whiskys nicht das Vorhandensein bestimmter Aromen herangezogen werden. Wenn man festlegen würde, dass ein Whisky aus einem Sherryfass nach Brombeeren schmecken muss, und manche Genießer aufgrund ihrer “Sinnesdatenbank“ Brombeeren erkennen und andere nicht, sagt dies nichts über die Qualität eines Whiskys aus und macht eine Bewertung nach diesem Kriterium unmöglich.
Vorstellbar wäre jedoch eine Einordnung in Kategorien. Wollte man die Qualität eines Whiskys über das Vorhandensein von erwarteten Aromen definieren, so müsste man diese Aromen in vergleichbare Gruppen zusammenfassen, also z.B. „dunkle Beerenfrüchte“. Dies wäre dann ein wesentlich größerer Rahmen, der mehr Menschen die Möglichkeiten bieten würde, einen gemeinsamen Nenner in ihren „Sinnesdatenbanken“ zu finden, den alle oder viele erkennen können.

Individuelle Vorlieben

Nun kommt zum Tragen, dass nicht nur die Wahrnehmung eines jeden Einzelnen individuell unterschiedlich ist, sondern auch die Vorlieben. Selbst wenn zwei Verkoster beide das Vorhandensein von „dunklen Beerenfrüchten“ attestieren, kann es immer noch sein, dass für den einen der beiden die dunklen Beerenfrüchte positiv besetzt sind und für den anderen negativ. Damit, so kann man argumentieren, scheidet das Vorhandensein bestimmter Aromen oder Aromengruppen als Qualitätsmerkmal aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine große Gruppe von Genießern auf einen gemeinsamen Kanon einigt, welche Aromen oder Aromengruppen in welcher Art von Whisky enthalten sein sollen oder nicht sein dürfen, darf man sicher als gering einschätzen. Aus diesem Grund scheidet auch ein „schmeckt“ oder „schmeckt nicht“ als vergleichendes Qualitätskriterium aus, da dies naturgemäß bei jedem Menschen individuell definiert ist.

Objektive Kriterien



Wenn nun also die individuellen Vorlieben oder das Vorhandensein zuvor definierter Aromen oder Aromengruppen als Qualitätskriterium ausscheiden, bleibt nur die Suche nach möglichst allgemeinen Kriterien, auf die sich möglichst viele Genießer verständigen können.
Um diese Kriterien zu finden, könnte es nützlich sein, zu fragen, was genau Whiskygenießer an ihrem Lieblingsgetränk so schätzen und was ihr Getränk von anderen Spirituosen unterscheidet. Alleine schon die Bandbreite der vielen Aromenprofile der unterschiedlichen Whiskys (rauchig, nicht rauchig, sherrylastig oder nicht usw.) zeigt, dass es nicht der eine besondere Geschmack oder Geruch sein kann (wie es z.B. bei einem Produkt wie Cola der Fall wäre).
Was genau macht also Whisky aus? Warum lieben die Liebhaber von Whisky ihr Getränk so? Für die Beantwortung dieser Fragen würde sich eine repräsentative Umfrage unter Whiskygenießern lohnen. In Ermangelung dieser Umfrage soll im Folgenden als These angenommen werden, dass es zwei Komponenten machen, die dieses Getränk so beliebt, wenn auch nicht einzigartig machen: die Komplexität und die Vielfalt der Aromen und die Intensität der Aromen.

Komplexität



Die Komplexität und die Vielfalt der Aromen meint an dieser Stelle nicht die Vielfalt, welche die verschiedenen Herstellungsparameter (Rohstoffe, Rauch, Fermentationszeit, Brennblase, Schnitt, Fassreife usw.) bieten, sondern die Komplexität und die Vielfalt der Aromen innerhalb eines einzelnen Whiskys. Zum Vergleich bietet ein Obstbrand oder -geist, sofern nicht fassgelagert, die reine Essenz der Frucht in flüssiger Form. Ein Whisky bietet eine Vielzahl von Aromen, welche zu entschlüsseln die Genießer, sofern sie dies wollen, vor eine nicht endende Herausforderung stellt. Zwar werden die Ergebnisse der Entschlüsselung aufgrund der oben angeführten Gründe stets zu individuell unterschiedlichen Ergebnissen führen, aber es sollte möglich sein, als gemeinsamen Nenner mehrerer Verkoster festzustellen, ob ein Whisky eine Vielzahl an Aromen enthält oder eher einseitig erscheint. Chemisch betrachtet ist die Zahl der Aromen in jedem Whisky sicher sehr hoch und sehr komplex, doch der vermittelte Eindruck unterscheidet sich durchaus. Hier ließe sich auch die Unterscheidung treffen, ob die Aromen nebeneinander stehen und viele unterschiedliche Assoziationen wecken - welche auch immer das sein mögen – oder ob sich die Aromen zu einem unentwirrbaren Einheitsbrei vermischen.
Auch ein Whisky mit nur wenigen oder einem identifizierbaren Aroma kann einen großen Genuss erzeugen, mögen Kritiker dieser These nun äußern, aber ist das dann noch die Wesensart von Whisky?

Intensität

Als nächstes stellt sich die Frage nach der Intensität der Aromen. Wird ein Whisky negativ bewertet, kann man häufig die Aussage „der wirkt flach“ lesen oder hören. Was wäre in diesem Fall das Gegenteil von flach? Ganz sicher nicht „hoch“, sondern eher etwas wie „reich“, „kräftig“, „gehaltvoll“ oder eben: intensiv.
Intensität zeigt sich in einem betörendem Geruch, einem einnehmenden, ausdrucksstarken Geschmack und einem langen, am Gaumen und im Rachen haftenden Abgang. Die Aromen sind nicht flüchtig, sondern beständig. Jeder Whiskygenießer wird einen intensiven Whisky von einem „flachen“ Whisky unterscheiden können.

Aussagekraft

Jeder Whiskygenießer sollte in der Lage sein, zu erkennen, ob ein Whisky komplex ist und intensiv. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dies ausreicht, um einen Whisky zu bewerten bzw., ob eine Bewertung auf Basis dieser beiden Kriterien ausreicht, um Dritten eine Einschätzung der Qualität des Whiskys zu ermöglichen. Wie groß ist die Aussagekraft einer Bewertung nach den oben genannten Kriterien? Zur Beantwortung kann ein kleiner Selbsttest dienen. Der Autor dieser Zeilen hat den Balcones Brimstone mit 49 Punkten bewertet. Diese 49 Punkte sind in der Relation zu seinen sonstige vergebenen Wertungen ein vernichtendes Urteil. Tatsächlich teilt sich der Balcones Brimstone zusammen mit einem anderem Whisky den letzten Platz aller vom Autor bewerteten Whiskys. Allgemein betrachtet ist dieser Whisky auch über die Gemeinschaft der Genießer hinweg betrachtet einer der am stärksten polarisierenden Whiskys. Nun kann diese Bewertung mit den oben festgelegten Kriterien überprüft werden. Der Balcones Brimstone ist komplex, denn er zeigt eine Vielzahl teils ungewöhnlicher Aromen. In seiner Intensität ist er kaum zu überbieten, insbesondere sein Abgang sucht in Bezug auf Intensität seinesgleichen. In obigen Sinne hätte der Brimstone also eine sehr gute Wertung verdient. Das Beispiel zeigt demnach, dass entweder der Verkoster den Whisky bisher falsch bewertet hat oder aber die bisher festgelegten Kriterien nicht für eine Bewertung ausreichen. Unterstellt man Letzteres, dann beginnt die Suche nach weiteren Kriterien, welche die Aussagekraft der Bewertung erhöht. Im Folgenden werden weitere Kriterien vorgeschlagen, welche jedoch in Bezug auf eine objektive Wahrnehmung und Bewertung zweifelhaft sein könnten.

Harmonie



Komplexität, also das Vorhandensein einer Vielzahl erkennbarer Aromen sagt noch nichts darüber aus, ob diese Aromen zusammenpassen und ein harmonisches Gesamtbild ergeben. Manche Aromen wirken erst durch ihr Zusammenspiel mit anderen Aromen beeindruckend. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Cola, welche Süße und Säure in sich vereint. Entfällt die Säure durch den Verlust der Kohlensäure sinkt für die meisten Colatrinker auch der Genuss. Eine Harmonie entsteht erst durch das Wechselspiel zwischen Süße und Säure. Manche Aromenkombinationen passen nicht so gut zusammen. So würde wohl den meisten Senf auf Käsekuchen nur wenig Genuss bereiten. Der Konjunktiv im letzten Satz zeigt jedoch bereits an, dass dies nicht so sein muss. Jeder Genießer kann andere Aromenkombinationen als harmonisch oder unharmonisch empfinden.

Fehler

Manchmal werden Wahrnehmungen von Aromen im Whisky als „Fehlnoten“ bezeichnet. Eine mögliche Definition von Fehlnoten oder Fehlern im Whisky könnte die Wahrnehmung von Aromen sein, welche nicht mit Whisky assoziiert werden. Die sind häufig die Eindrücke von Metall, alkoholischer Schärfe, alkoholischem Geschmack oder Geruch, Künstlichkeit bei der Wahrnehmung von Aromen, welche als nicht natürlich assoziiert werden. Künstlich wirkende Aromen können Gerüche oder Geschmäcker sein, welche an chemische Substanzen erinnern anstatt an natürlich vorkommende Aromen wie beispielsweise der Geruch von Obst oder Pflanzen. Aromen, welche von manchen Genießern als Fehlnoten bezeichnet werden, bereiten wieder anderen Genuss. Eine polarisierende Wahrnehmung ist in diesem Zusammenhang das vermeintliche Erkennen von Schwefel. Viele mögen das Schwefelaroma nicht, manche jedoch bevorzugen es sogar.
Doch auch die Wahrnehmung dieser Fehler, selbst wenn man sich darauf einigen könnte, was Fehler sind, bleibt individuell. Alkoholische Schärfe beispielsweise wird von jedem anders empfunden. Das hat vor allem mit Gewohnheiten zu tun. Jemand, der nie Spirituosen trinkt, wird in nahezu jedem Whisky eine alkoholische Schärfe wahrnehmen, regelmäßige Genießer von unverdünnten Fassstärken sind in dieser Hinsicht sicher etwas weniger „empfindlich“. Sich darauf zu verständigen, dass Whiskys, deren Alkohol unabhängig vom tatsächlichen Alkoholgehalt als nicht scharf oder brennend wahrgenommenen wird, ein Qualitätskriterium erfüllen, sollte jedoch möglich sein.
Jungen Whiskys wird oft nachgesagt, dass sie metallisch schmecken. Das wird oft als Zeichen von Unreife interpretiert und führt oft zu dem Schluss, dass solche Whisky besser noch etwas länger im Fass hätten reifen sollen. Zwar sollte es durchaus möglich sein, sich auf metallische Aromen als Fehler im Whisky zu verständigen, doch auch hier kommt wieder die Ungenauigkeit des Prüfinstrumentes, nämlich die Sinnesorgane des jeweiligen Verkosters, zum Tragen. Nicht bei allen Genießern dürfte in der „Sinnesdatenbank“ unter dem Begriff „metallisch“ dasselbe abgespeichert sein.

Erwartungshaltung

Eine qualitative Bewertung ist immer eine Überprüfung inwieweit das zu prüfende Objekt den an es gestellten Erwartungen entspricht. Bei Haushaltsgegenständen ist einen wesentliche Erwartung an diese, dass sie beim alltäglichen Einsatz nicht zerbrechen. Diese Erwartung lässt sich einfach formulieren und für viele Nutzer auf einen einfachen gemeinsamen Nenner bringen. Bei Genussmitteln ist die Bildung einer Definition der Erwartungshaltung aus zwei Gründen erheblich schwieriger. Erstens sind Erwartungen individuell unterschiedlich aufgrund der unterschiedlichen Vorlieben der jeweiligen Genießer und zweitens ermöglichen unsere Sinnesorgane keine objektive Überprüfung, inwieweit die Erwartungshaltung erfüllt wurde.
Es stellt sich also zunächst die Frage, ob es über die beiden Kriterien Komplexität und Intensität hinaus weitere Anforderungen bzw. Erwartungen gibt, die ein Großteil der Genießer an einen Whisky stellt. Dies führt zu der Sinnfrage: was ist Whisky? Man könnte beispielsweise fordern, dass ein Whisky immer im Geschmack und Geruch als Whisky erkennbar sein sollte. Dafür ist nach Meinung des Autos das Erkennen einer charakteristischen Getreidenote in Kombination mit einer gewissen Würzigkeit und Fruchtnoten erforderlich, welche dem Whisky zu eigen ist. Wenn ein Whisky jedoch diese Note nicht zeigt, weil z.B. eine intensive Fassreifung diese Note überdeckt oder der Whisky aufgrund andere Herstellungsparameter wie z.B. Fermentationszeit oder Schnitt diese Note nicht oder weniger ausgeprägt zeigt, wie es vielen Whiskys vom europäischen Festland zu eigen ist, verdient dann ein solcher Whisky eine schlechtere Wertung? Aus Sicht des Autoren tut er das, aber Diskussionen mit anderen Genießern haben gezeigt, dass es schwierig sein dürfte, darüber einen Konsens zu erreichen.

Skala der Wertungen

Angenommen es würde gelingen, sich auf eine Handvoll von Kriterien zu einigen, anhand derer man die Qualität eines Whisky bestimmen könnte, und weiter angenommen, die Kriterien wären so gestaltet, dass auch ein sensorisch ungeschulter Verkoster in der Lage wäre, diese Kriterien abzuprüfen, wären damit jedoch nicht alle Probleme gelöst, die eine qualitative Bewertung von Whisky mit sich bringt. Es wäre des Weiteren erforderlich, sich auf Maßeinheiten bzw. eine Skala zu einigen, in welcher die Bewertung ausgedrückt werden soll.
Die meisten einschlägigen Experten (Jackson, Murray, Valentin) verwenden genau wie die weltgrößte Whiskydatenbank ein 100 Punkte System. Das System wird auch schon lange für die Bewertungen von Wein verwendet (Johnson, Parker). Kurios dabei ist, dass die meisten Nutzer dieses Systems maximal eine Bandbreite von 50 bis 100 Punkten verwenden, die meisten sogar nur 70 bis 100. Dabei vergibt jedoch nahezu jeder Nutzer dieses System nach individuellem Gusto. Ein guter, aber nicht sehr guter Whisky, der für angenehme Genussmomente sorgt ohne absolut zu begeistern, wird von manchen Genießern mit z.B. 80 Punkten bewertet und von anderen mit 85 Punkten, ohne dass sie sich in der inhaltlichen Bewertung des Whiskys unterscheiden. Beide empfinden den Whisky als gut, aber nicht sehr gut, als genussvoll, aber nicht begeisternd. In Schulnoten würden man dem Whisky wohl eine 2- geben. Doch die 100-Punkte Skala wird von jedem Nutzer anders interpretiert (im Gegensatz zu beispielsweise Schulnoten, welche weniger Interpretationsspielraum zulassen).
Voraussetzung für Bewertungen von Whisky durch mehrere Benutzer wäre also eine Festlegung auf eine Skala (100 Punkte, Schulnoten, 1-5 Sterne etc.). Je mehr Stufen eine solche Skala aufweist, desto mehr Interpretationsspielräume ergeben sich. Grobe Systeme mit wenigen Stufen sind auf der anderen Seite vielleicht nicht differenziert genug.
Somit wäre es erforderlich, dass die Abstufungen des gewählten Systems einheitlich definiert werden, so dass jeder Nutzer des Systems ein identisches Verständnis der Anwendung der Skala erhält. Es müsste also einheitlich festgelegt werden, ob ein „guter, aber nicht sehr guter Whisky, der für angenehme Genussmomente sorgt“ mit 80 oder 85 Punkten bewertet werden soll.

Whisky Erfahrung, Referenzen und Tagesform

Um Abstufungen in einem definiertem System festlegen zu können, wären allgemein bekannte Referenzen am besten geeignet. Ein Verkoster, welcher vielleicht noch nicht sehr viele Whiskys verkostet hat und der sich bisher eher im unteren Preis- und Qualitätssegment bedient hat, kann aufgrund einer geringeren Referenzanzahl mehr Schwierigkeiten mit der Einordnung von Whisky bekommen als ein erfahrener Genießer, der eventuell auch schon außergewöhnliche und sehr gute Whiskys probieren durfte. Wer noch nie einen Leoparden hat sprinten sehen, hält einen Hasen für sehr schnell. Referenzen beziehen sich hierbei nicht nur auf die (wie auch immer definierte) Qualität sondern auch auf das Aromen-Spektrum und die mögliche Intensität. Wer noch nie einen Ardbeg Corryvreckan probieren konnte, der hält eventuell einen Bowmore 15 für stark rauchig.
Doch selbst erfahrene Whiskygenießer, welche schon eine Vielzahl von unterschiedlichen Whiskys probieren konnten, können von ihrem Aromen-Gedächtnis und ihrer Tagesform ausgetrickst werden. Wie jedem Genießer klar ist, der sich auch nur ein wenig mit der Materie befasst hat, schmeckt selbst der absolute Lieblingswhisky nicht an jedem Tag gleich. Wie oben beschrieben, werden die chemischen Reize, welche die Wahrnehmung von Aromen auslösen, vom Gehirn mit Assoziationen von Geschmäckern und Gerüchen übersetzt. Das Gehirn unterliegt jedoch hierbei vielen äußeren Einflüssen wie Stimmung, unterbewusster Manipulation durch Erwartungen, Erschöpfung usw. Dazu kommen andere Faktoren wie die zuvor zugenommene Nahrung, atmosphärische Einflüsse und Ähnliches, welche sowohl das Gehirn als auch die Sinneszellen als solche beeinflussen.

Zusammenfassung



Sinneseindrücke werden von vielen Faktoren beeinflusst und sind in einem hohem Maße individuell. Da jedoch eben diese Sinneseindrücke das einzige Messinstrument sind, das zur Beurteilung und Bewertung eines Whiskys zur Verfügung steht, kann eine solche Bewertung allenfalls auf einer sehr oberflächlichen Ebene stattfinden. Man stelle sich vor, jedes Reifendruckmessgerät zeigt ein anderes Messergebnis. Wie soll dann ein Autofahrer feststellen, ob der Druck des Reifens der gewünschte ist?
Eine Bewertung könnte dadurch wenn überhaupt nur auf einer sehr oberflächlichen und allgemeinen Ebene stattfinden (in diesem Text vorgeschlagen anhand der Kriterien Komplexität und Intensität).
Die Erfordernis einer allgemein gültigen Skala mit allgemein gültigen und von allen Verkostern gleich verstandenen Abstufungen sowie die Festlegung von Referenzen erschweren eine allgemein verbindliche Bewertung zusätzlich.
Der Schluss, dass der Versuch einer allgemein verbindlichen qualitativen Bewertung von Whisky nur scheitern kann, liegt sehr nahe. Aus Sicht des Autoren ist es dennoch nicht sinnlos, solche Bewertungen vorzunehmen. Der Nutzen für den Verkoster entsteht dabei in erster Linie für sich selbst. Bei Kenntnis der jeweiligen Vorlieben und sonstigen Bewertungen dieses Verkosters kann auch eine dritte Person durchaus ebenfalls Nutzen in Form von Erkenntnissen und Einordnungen aus dessen Bewertungen ziehen. Deshalb ist es sehr vorteilhaft, wenn die Bewertungen begründet werden, um eventuelle positive oder negative Ausschläge besser zu verstehen. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang sicher die Einigung auf eine gemeinsame Skala mit allgemein verständlichen und akzeptierten Abstufungen.
Über eine Vielzahl von Bewertungen (sofern diese frei sind von Manipulationen aus u.a. wirtschaftlichen Interessen) bildet sich ein Gesamtbild, welches eine Orientierungshilfe darstellen kann. Darüber hinaus können sich auf diesem Wege Referenzen bilden, welche das allgemeine Verständnis der angewandten Bewertungsskala unterstützen.
Doch am Ende bleibt die Erkenntnis: das was allen gefällt, muss mir nicht auch gefallen und umgekehrt.

Lasst Euch Euren Whisky schmecken!
Gloin

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