Zum Seitenanfang Schritt hoch Schritt runter Zum Seitenende
Flaschen - Die Schatzkisten des Whiskys

Flaschen - Die Schatzkisten des Whiskys

23.05.2020 19:01

Wir alle kaufen sie automatisch mit, da sie unseren Whisky vor Umwelteinflüssen schützen. Wir betrachten sie gerne, wenn sie besonders dekorativ sind. Und doch sind sie eigentlich nur ein Beiprodukt, das wir meistens, wenn der Whisky leer ist, wegwerfen.



In diesem Artikel möchte ich ein paar Hintergründe und im besten Fall für euch neue und spannende Informationen präsentieren.


Es beginnt mit der Frage: Warum fast ausschließlich Glas?

Die Frage ist recht einfach zu beantworten, denn Glas hat gegenüber anderen Behältern große Vorteile. Es ist chemisch nahezu inert. Das bedeutet, dass es nicht mit dem Flascheninhalt reagiert. Die chemischen Bestandteile des Glases sind sehr schlecht in Wasser und Alkohol löslich. Dies ist ein großer Vorteil gegenüber Kunststoffflaschen, die mehr oder weniger viele Weichmacher enthalten.
Weiterhin ist es nicht so porös wie zum Beispiel die Keramikkrüge, in denen Whisky im vorherigen Jahrhundert auch abgefüllt wurde. Aufgrund dessen, dass Flaschen durchsichtig für Licht sind, lassen sie sich schnell und effizient auf Produktionsfehler testen. Nicht zuletzt haben Glasflaschen noch einen psychologischen Effekt - Glasflaschen werden wertiger wahrgenommen.

Die Produktion

Glas ist auf dem Papier von den Rohstoffen her einfach in der Produktion. Die einfachste Variante, simples Klarglas (auch flint glass genannt), besteht nur aus wenigen Rohstoffen: Sand (Siliciumdioxid), Kalkstein (Calciumcarbonat) und Natriumcarbonat. Für grünes Glas und braunes Glas werden noch diverse Metallsalze zugesetzt.
Die Rohstoffe werden in bestimmten Verhältnisse gemischt und dann in den sogenannten Glaswannen geschmolzen. Hier beginnt schon die Verflechtung von Glas- und Whiskyindustrie – grob alle 12 Jahre muss eine Glaswanne grundlegend erneuert werden, im Fachjargon cold repair genannt. In diesem Zuge wird gegebenenfalls auch die Produktionskapazität der Glaswanne angehoben. Aus diesem Grund sind die Glashersteller bestrebt, langfristige Verträge, bestenfalls mit zugesicherten Abnahmemengen, mit den Abnehmern wie z.B. den Whiskyproduzenten zu schließen. Denn so können Sie sicher sein, dass eine Produktionserhöhung in einem Glaswerk auch sichere Abnehmer findet. Hieraus ergibt sich dann eine Planungssicherheit für die Glasproduzenten. Kurzfristige Verträge sind für die Glasproduzenten mit großen Anlagen eher ungewünscht - Wenn plötzlich nur noch die Hälfte produziert werden müsste, könnte in einer großen Anlage mit mehreren Wannen nicht einfach eine abgeschaltet werden. Denn wenn das flüssige Glas in einer Wanne einmal erstarrt, ist die Wanne komplett unbrauchbar und muss vollständig erneuert werden. Die Produktionsmengen bewegen sich für Behälterglas (Flaschen, Flakone etc.) im Bereich von 200 bis 500 Tonnen pro Tag. Für Flachglas üblicherweise deutlich mehr.

Der Produktionsprozess von Glasbehältern und Flachglas ist gleich, wenn man sich Rohstoffe und Glaswanne ansieht, dann aber unterscheidet sie sich. Hier könnten sehr viele Worte verloren werden, aber am eindrucksvollsten ist doch immer noch ein Video. Ab etwa 1:20 könnt man den Prozess verfolgen: Video
Wie man dem Video entnehmen kann, werden die heißen, flüssigen Glasklumpen in Formen „geschossen“, und dort mit Druckluft in ihre endgültige Form gebracht. Die Formen sind heutzutage üblicherweise nummeriert, so dass Unternehmen, Herstellungsort und die Form zuzuordnen sind. Diese sind nur oft für Verbraucher hinter Zahlen- oder Buchstabencodes versteckt, den sogenannten punt marks. Auch in Schottland wird dies schon seit einigen Jahrzehnten so gehandhabt, so dass auch Whiskyflaschen in einem gewissen Rahmen allein über die Informationen auf dem Flaschenboden Rückschlüsse auf den Produktionszeitraum geben können.

Transport und Logistik

Grundsätzlich und grob gesagt muss man hier zwei Kategorien unterscheiden: Der preissensible Massenmarkt und die gehobene Kategorie (die auch Premium- und Luxusprodukte enthält).
Für erstere Gruppe wird der Bedarf größtenteils innerhalb UK gedeckt. Aufgrund dessen, dass der Transport von Leerflaschen den Transport von sehr viel Luft bedeutet (schlechte Packungsdichte von Flaschen), und daher weniger wirtschaftlich als z.B. die Rohstoffe, ist hier ein Transport vom Festland weniger sinnvoll. Die Gewinnmargen auf das Produkt sind gering, da machen auch Centbeträge schon etwas aus. Hierzu gehören zum Beispiel die Blends, die für wenige Euro im Supermarkt erhältlich sind.
Für Single Malts sieht das schon etwas anders aus. Ein gutes Beispiel sind die farbigen Classic Malts Flaschen von Diageo - Diese kommen aus Osteuropa oder Österreich. Wenn ihr bei diesen einmal auf den Boden schaut, seht ihr das:



Auf der oberen Bildhälfte seht ihr etwas, das wie „Sb“ aussieht. Das ist das Logo der Firma Stölzle. Diese produzieren Flaschen in Knottingley, UK - aber nur flint glass. Die farbigen Flaschen kommen also definitiv nicht von der Insel, sondern werden in anderen Werken der Gruppe produziert und dann auf die Insel transportiert.
Doch es ist anzunehmen, dass die Flasche des Macallan Reflexion oder des Highland Park „The Dark“ in Knottingley produziert wurden, da die Anlage hochflexibel ist und sich auch Durchläufe mit kleinen Flaschenzahlen dort leicht realisieren lassen. Weiterhin befindet sich dort auch das Kompetenzzentrum für aufwändige Dekorationen.

Es lohnt sich aus Sicht der Produzenten dementsprechend auch schon für Abfüllungen wie die Einsteiger-Standards der Classic Malts diesen Aufwand mit der Logistik und dem mit längerem Transport einhergehenden erhöhten Verlustrisiko durch Bruch zu betreiben.
Nicht nur für Whisky: zum Beispiel kommen die europaweit meistgeschätzten Sekt- und Champagnerflaschen aus Süddeutschland. Von dort werden sie auch über weite Strecken exportiert.

Whiskyflaschen und das Design

Wir alle kennen einige Flaschen, die aufgrund Ihrer Form sofort auffallen: Die dreieckige Form der Flaschen von Glenfiddich, oder Johnnie Walker Flaschen mit ihrer quadratischen Form. Die Suntory Hibiki-Flaschen, die ein 24-Eck darstellen.
Im Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten im Regalfach, sei es Supermarkt oder Fachhandel, ist nicht nur ein Labeldesign, sondern auch ein Flaschendesign mit Wiedererkennungswert unerlässlich. Auch in der Fachwelt wird das oftmals innovative Design von Flaschen, die schottischen Whisky enthalten, gewürdigt.
Beispiele sind The Dark von Highland Park, oder das neue Aussehen derGlenfiddich Flaschen.
Es ist zu vermuten, dass der Trend zu innovativeren Flaschendesigns auch in Zukunft nicht abbrechen wird.

Die Hersteller und ihre Logos

Nun zum für viele vielleicht interessantesten Teil. Die Frage „Woher kommen meine Flaschen eigentlich?“ und „Kann mir der Flaschenboden etwas über Fälschungen sagen?“
Das werde ich mit kurzen Bildern und ein paar Randinfos präsentieren; zunächst aktuelle Flaschen, und ein kleiner Blick in die Vergangenheit. Die Angaben über die Abnehmer sind nur Momentaufnahmen. Diageo beispielsweise hat erst 2013 seinen Lieferanten für Smirnoff und Johnnie Walker gewechselt – ein 10-Jahres-Vertrag, der in einigen Jahren ausläuft: Von O-I in Alloa zu Ardagh.


Logo Stölzle

Stölzle Glas betreibt 6 Werke in Europa, davon eines in UK, welches sich auf Klarglas für höhere Ansprüche konzentriert und eine hochflexible Produktion hat, um auch Kleinauflagen effizient produzieren zu können. Das Logo fällt auch häufiger auf 5cl und 10cl Samplefläschchen auf.
Produziert wird unter anderem für Diageo, Highland Park und Macallan.


Logo Owen-Illinois

Owen-Illinois: Der Branchengigant. Der Gründer der Firma hat die erste automatische Flaschenblasmaschine erfunden und somit die automatisierte Flaschenherstellung revolutioniert. Das Werk in Alloa ist das älteste noch in Betrieb befindliche in Schottland. Zudem war es eines der ersten in Europa mit vollautomatisierter Produktion. Rheinländern wird der Name vielleicht in weniger guter Erinnerung sein, da O-I das Traditionsglaswerk in Düsseldorf-Gerresheim geschlossen hat.
Das Logo ist das verschmolzene O-I am unteren Rand des Bildes.


Logo Allied Glass Containers


altes Logo Allied Glass Containers

Allied Glass Containers Ltd.: Ein lokaler Produzent in Großbritannien mit zwei Produktionsstätten. Das Unternehmen ging aus Lax and Shaw Ltd. hervor - welche rechtlich bis Heute bestand hat und lediglich seit 2016 keinerlei Umsätze mehr generiert. Lax and Shaw besaßen bereits seit 1900 ein Werk in der South Accomodation Road in Leeds – welche immer noch offizieller Hauptsitz des Unternehmens ist. Es wurde unter anderem Macallan produziert hat, zu erkennen an einem LS im Kreis. Der Nachfolger Allied Glass produziert beispielsweise für Gordon & Macphail, Diageo, Balvenie und Laphroaig.
Der Wechsel zum AGC Logo kam nach der Jahrtausendwende. Solltet ihr also eine Flasche mit Abfülldatum vor 2000, aber einem AGC Logo sehen, wäre eine genauere Untersuchung der Flasche auf Fälschungshinweise eine gute Idee.


Logo Ein-circ

En-circ: Erkennbar am kleinen e im Kreis. Zwei Produktionsstätten in UK (England und Irland), davon wird eine in den kommenden Jahren zu einer der größten Behälterglaswannen weltweit ausgebaut. Produzieren u.a. für Murray MacDavid. Gehört zur Vidrala-Gruppe, die in Italien auch Flaschen für Smirnoff herstellt.


Logo Ardagh

Ardagh verwendet zur Kennzeichnung für die Europa-Produktionsstätten etwas, das wie verschnörkeltes U aussieht. Wie bereits erwähnt, wird unter anderem für Johnnie Walker Flaschen produziert Ardagh ist nach Owen-Illinois weltweit der zweitgrößte Produzent von Behälterglas und besitzt auch in Deutschland einige Werke.


Logo SaverGlass

SaverGlass spezialisiert sich auf Flaschen für Luxusprodukte. Dementsprechend befinden sich im Katalog auch ausgefallene Dekanter. Bis 1999 ein sehr kleiner Produzent mit nur einem Werk, wird seit Beginn der 2000er expandiert, und produziert wird für die Grants (Monkey Shoulder) und auch für Compass Box.

Und nun ein kleiner geschichtlicher Exkurs:


Logo United Glass

United Glass Limited (auch United Glass Containers Limited oder United Glass Bottle Manufacturers) hat eine bewegte Geschichte. Zu Beginn war es nur ein Zusammenschluss mehrerer Glasproduzenten, um sich gemeinsam eine automatische Glasblasmaschine von Owen-Illinois zu kaufen. Kleinere Werke wurden geschlossen, vier Werke von Distillers Company Ltd (aus denen sich Diageo entwickeln sollte) aufgekauft und über die Jahre stieg United Glass Limited zum größten Produzenten in England und Schottland auf. 1955 wurde das Werk in Alloa zugekauft, das heute noch besteht. Zeitweise hielt DCL 40%, aber Owen-Illinois übernahm nach und nach mehr Anteile. Hier lässt sich am besten eine grobe Datierung von Flaschen vornehmen, da es einige Aufzeichnungen über verwendete punt marks gibt.
Bis etwa 1960 wurde der Schriftzug UGB verwendet, über oder unter dem ein Buchstabencode das Werk angab (z.B. A für Alloa, C für Charlton). Es folgt eine Periode mit unbekanntem punt mark, und dann ab 1982 das UG in einem Sechseck, welches als gesicherter spätester Zeitpunkt der Verwendung gilt. Dabei immer ein Code U0, U1, … welches wiederum das Werk angibt. Das Werk in Alloa hat hierbei U8. Nicht bekannt ist das genaue Enddatum. Seit 2000 ist die Firma liquidiert und offiziell in O-I eingegangen. Es ist zu vermuten, dass spätestens seit den 2010ern das O-I Logo verwendet wird.
Daher ist eine Flasche, die z.B. in den 1960 abgefüllt worden sein soll aber das UG im Sechseck trägt zumindest verdächtig und sollte näher untersucht werden.

Quellen:
https://www.emhartglass.com/media-center...marks/punt-mark (Stand etwa 2010)
http://old.emhartglass.com/punt_marks/vi...nited%20Kingdom
Emhart, „punt glass“ (catalog) 1982
Websites der Produzenten

Autor: Sound of Islay

Kommentar zu "Flaschen - Die Schatzkisten des Whiskys" verfassen
Sie haben nicht die erforderlichen Rechte, diesen Artikel zu kommentieren.


disconnected Stammtisch Mitglieder Online 79
Xobor Xobor Blogs
Datenschutz