Old Pulteney 2007/2023 Handfilled Cask 1475 (WID 230476)
Farbe: Deep copper
Nase: Zusammen mit Sherryaromen ziehen feine Zitrusfrüchte und frische maritime Noten in die Nase. Orangen treffen auf saftige Rosinen, Zitronen und dezent salzige Seeluft. Unterschwellig schwingen etwas Honig und Vanille mit und mit zunehmener Standzeit kommt immer mehr Karamell durch. Hin und wieder vernehme ich eine feine Holzrauchnote. Das gefällt mir ausgesprochen gut. Ein bisschen Vollmilchschokolade kommt durch und auf der Fruchtseite zeigen sich mittlerweile leckere Pfirsiche und Marillen. Der Alkohol ist wirklich gut integriert: trotz der sportlichen 62,3% Vol. sticht hier nichts in der Nase. Ich freue mich auf den ersten Schluck.
Mund: Unverdünnt trifft der Tropfen leicht cremig und unheimlich intensiv auf die Zunge. Sofort schieben Pfeffer, Ingwer und Orangenschalen eine scharfe Bugwelle durch den Mund, die alles andere unter sicht plattwalzt. Lediglich Marillen lassen sich zwischendurch erahnen. Ich entscheide mich dazu, ein Teelöffel Wasser auf die verbliebenen 2cl hinzuzugeben. Und siehe da, es bewirkt Wunder. Auf einmal kommen neben den Marillen auch geschmacklich die Vollmilchschokolade und Rosinen durch. Ein bisschen Kakaopulver ist mit dabei und hin und wieder muss ich an Wildleder denken. Leckere Crème Brûlée deutet sich an und erfrischenderweise melden sich zwischendurch immer mal wieder die Zitronen. Mit einer Handvoll Mandeln und etwas Grapefruit führt ein frisch wirkendes Eichenholz schließlich ins Finish über.
Abgang: Das Finish ist überdurchschnittlich lang. Das Schokoladenfundament wird dünner und die Zitrusfrüchte drehen zur Einrahmung des Abgangs richtig auf. Zitronen und Grapefruit setzen zusammen mit etwas Orangenschalenabrieb einen angenem säuerlichen Rahmen für das Eichenholz, die Pfirsiche und die Marillen. Das süß-sauere Wechselspiel gefällt mir ausgesprochen gut, zumal das Holz gerade richtig dosiert daherkommt. Langsam und stimmig klingt der Tropfen genussvoll aus.
Charakter: Was für eine Urgewalt. Die Fassstärke ist nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Geschmack enorm. Umso schöner, dass diese Abfüllung Wasser gut verträgt. Mit einem Teelöffel auf 2cl hat sie mir enorm gut gefallen. Man wird mit einem unheimlich schönen von Zitrusfrüchten dominierten Ex-Oloroso Profil belohnt, das mit leckeren Pfirsichen und die Marillen und einer schönen Portion Eichenholz punktet. Zwischenzeitlich gibt es geschmacklich leckere Schokolade und Crème Brûlée und Rosinen.
Bewertung: Eine gelungene Handfilled-Abfüllung, die dazu einlädt, ein wenig mit Wasser herumzuexperimentieren. Ich kann mir vorstellen, dass sie dann und über die Zeit hinweg ganz unterschiedlich schöne Gesichter zeigen kann. Allerdings hatte ich nur ein Sample, so dass es bei der Vermutung bleibt. Von mir gibt es rundum gute 89 Punkte. Mit einer Tendenz zu 90 ob der gewaltig beeindruckenden Zitrusfrische und der leckeren Pfirsiche respektive Marillen.
Geruch: Eine sehr elegante Sherrynase mit viel Nuss, etwas Schwarzbeere und feiner Würze. Da wären: Etwas Rosmarin und Kerbel sowie, wir sind schließlich in Wick, zarte Salzgischtnoten. Der Sherry ist intensiv, jedoch keinesfalls "aufgesetzt", die Nussigkeit in der Verbindung mit der Würze gibt ein herrlich intensives Oloroso-Aroma. Die 62,3% verleihen eine leichte Frische und feine Dichte, sind jedoch "bestens eingebunden", wie es so schön heißt.
Geschmack: Im Initial Taste kommen sofort die saftigen Schwarzbeeren, gefolgt von Heidelbeeren, getrockneten Rosinen und etwas Karamell, wieder gefolgt von leichter Salzigkeit sowie Kerbel und Rosmarin. Und dann sind die 62,3% voll präsent und sorgen für einen "Zwischenburner", der im Abgang wieder vergeht.
Abgang: Der Ausklang ist mittellang bis lang und bleibt nussig-sherrytönig mit der gewissen Würznote, die Früchte verweilen nun im Hintergrund.
Fazit: Ein sehr spannender Pulteney, sehr fruchtig, sehr stark und ordentlich würzig. Ich finde, die Nase ist das Prunkstück dieses Malts, gefolgt vom Mundgefühl, das den Olorosonoten einen kräftig-würzigen Ausdruck verleiht. Im Abgang wird die Sache etwas trockener, die Würze bleibt. Für mich ein 92-Punkte-Vergnügen (93-92-91) nach den ersten Tests. Es ist auch hier so: Nimmt man kleine Schlucke, ist die pure Stärke von über 60% auch am Gaumen gut verträglich.
Etwas Wasser macht den Pulteney süßer, fruchtiger und nussiger. Jetzt kommen auch noch vanillig-traubige Noten dazu. Der Sherryeinfluss bleibt präsent, aber ergänzend. Die Kräuter liefern eine weitere feine Ergänzung. Auch in den Mundraum kommt der Malt süßer, nun mit etwas weniger Hitze und der dennoch vollen Würz- und Kräuterration. Eine sehr schöne Variante, die auch im Gesamtbild die Aromenbalance erstaunlich gut hält. Dieser Pulteney ist geboren für Wasserspiele. Für mich bei den ersten Wassertests ein 92.5-Punkte-Vergnügen (93-92.5-92).