Geruch: Der erste Eindruck liefert eine wunderbar intensive Sherrynase mit reifen Brombeeren, Kräutern, leichter Malzigkeit und Glenfarclas-Backstube. Darüber liegt eine feine Eukalyptus-Frische. Der Malt wirkt gesetzt und doch frisch, die 46% wirken stärker als es die reine Papierform vermuten lässt. Im Zeitverlauf wird die Brombeere intensiver, etwas Kirsche tritt dazu. Die Eiche ist sehr dezent und sehr richtig. Eine Bombennase, würde ich sagen. Steht den Family Casks in nichts nach. Wenn ich aus dem Gedächtnis vergleichen darf: Mehr Sherry als beim 1998er und frischer als der 1985er, der in seiner "süßen Dunkelfrucht" nochmal eine Spur intensiver ist.
Geschmack: Kommt intensiv kräuterwürzig, leicht karamellig und absolut sherrysatt in den Mundraum; sehr überraschend und sehr, sehr gut. Die Kräuter und Gewürze (Majoran, etwas Anis) sind sehr angenehm mit der absolut zurückhaltenden Eiche verwoben. Kirsche und Brombeeren kehren wieder und ergeben eine sehr feine Dunkelfrucht. Die 46% sind absolut angenehm.
Abgang: Der Abgang ist schon lang und betont einmal mehr die etwas herberen Noten, von der Frucht über die Kräuter bis zur Eiche. Die Würze wird nie zu dominant -- von Armagnac ist man hier offenbar schon buchstäblich "ge-eicht" --, Sherry und Dunkelfrucht liefern sich ein vortreffliches Wechselspiel mit den trockenen Eichenaromen. Passt.
Fazit: Ich hätte mir nicht gedacht, dass ich das einmal schreiben werde, aber dieser 1990er-Glenfarclas ist ein Whisky für Armagnactrinker. Die tiefe Fruchtigkeit und die angenehme Würze, gepaart mit der feinen Frische und den perfekten 46% erfreuen den Spiritliebhaber. Die feinen Malznoten und die für mich typische "Glenfarclas-Backstube" lassen auch keine Zweifel an der Herkunft aus den schottischen Highlands aufkommen. Ein 94.5-Punkte-Hochgenuss (95-94.5-94), der zeigt, wie großartig Scotch sein kann. Und: Es muss nicht immer "Family Cask" sein ...