Ein Kuriosum, das mich beschäftigt und fasziniert.
Vielleicht nicht, wie nach meinem Erstkontakt gepostet, bernsteinfarben, aber ein für die Eckdaten ungewöhnlich dunkler Goldton ist es schon. Deshalb Email an Ian Macleod in der Hoffnung auf mehr Infos. Laut Master Distiller John Glass verbrachte er seine ersten 13 Jahre in einem Refill American Oak Hogshead, bevor er für 3 Jahre in einem Puligny-Montrachet White Wine Cask gefinisht wurde. Die Weine aus diesem Weinbaugebiet (meist Chardonnays) sind offenbar bekannt für ihre Eichenholz- und mineralischen Aromen, hier lese ich von Feuerstein/Silex (verbrannt, Rauch, aufflammendes Streichholz). Kommen daher die Schwefelnoten, die ich wahrnehme? Oder sind sie vielmehr Jura-typisch, wie mich der Kommentar von @Torfding zum Putzlumpen-Aroma vermuten lässt?
Jedenfalls hier meine Notes:
Nase: Extrem wandelbar, sie changiert von Mal zu Mal. Zunächst denke ich an einen reifen Sauternes. Daneben das gammelige Gemüse - eine vergoren-säuerlich-süßliche Note. Gefällt mir sehr. Diesmal nehme ich auch Käse wahr. Leicht ranzig kommt er mir vor. Stinkefüße. Kohlrabischalen. Dann Vanille, Eichenholz, eine wunderbar dichte, konzentrierte Würzigkeit. Sanddornsirup. Zimt. Auch blumige Noten blitzen durch.
Mund: Megadichte Eichenwürze, aber nicht die schwerfällige Sorte, nein, er ist sehr lebendig. "Muskulös-dynamisch" hab ich gestern Abend hingekritzelt, wenn ich das richtig entziffere. Ich spüre gleichzeitig eine schöne Reife und eine knackige Säure.
Abgang: Wärmend. Schokolade, Frucht, tieferliegende Cremigkeit (hä?, weiß nicht mehr so recht, was ich damit meine). Dann schwarzer Tee. Trocken werdend. Dann auch wieder samten. Hintenraus sehr schön süß. Fazit: Ich bin erstaunt und begeistert. Kann nicht ausschließen, dass mich der Kommentar eines Whiskyfreunds beeinflusst hat, der meinte, bei der fast fünfstelligen (!) Zahl verkosteter Whiskys sei ihm so einer noch nie untergekommen (er kriegte ihn nicht zu fassen und enthielt sich vor Verwirrung einer Bewertung). Jedenfalls hatte ich bisher zwar schon viele verzückende Momente mit Whisky. (Auch wenn ich nur auf poplige 250 verkostete Abfüllungen komme.) Auch gestaunt habe ich oft schon nicht schlecht. Aber der hier bringt mir außergewöhnlich viel Freude. Assoziation: Ein wunderschönes, freies, starkes Wildpferd . Also bezogenen auf sein Wesen und seine dynamische Struktur - Stall- oder, wie es vielleicht sogar zu erwarten wäre, Meeresaromen finde ich nicht.
"Everything in moderation, including moderation." Oscar Wilde
Nase Oha, hier ist (Trauben-) Gärung im Gange. Ein Mischung aus altem, schimmeligem Stroh und nassem Heu. Blumenkohl, Kohlrabi - überhaupt hat er so eine recht strenge Gemüsenote. Dahinter florale Noten, ein wenig Mandarinenwasser und vergorene Erdbeeren.
Geschmack Kräftiger Antritt, ölig, würzig - und überraschend ganz anders, als es die Nase vermuten ließe. Kaum noch Gemüse oder vergorene Früchte, dafür viel trockenes Holz, Pfeffer, Curry, Majoran. Schöne Würze, die um die Eiche herumtanzt. Dunkle Schokolade, Espressobohnen.
Abgang Mittellanger bis langer Abgang, sehr trocken, sehr würzig. Schokolade mit hohem Kakaoanteil, Espressobohnen, Kräuter, Pfeffer.
Fazit Nach dieser Nase hatte ich mich auf einiges gefasst gemacht. Aber, oh Wunder: auf der Zunge und im Abgang gibt er sich im Vergleich zur Nase richtig „konservativ“ und punktet mit angenehmen Holz- und Gewürznoten.
Top 5 2018|2019|2020|2021|2022|2023|2024 'Do you believe in ghosts?' 'Only the ones provided by Jameson.' (Ken Bruen) Whisky is liquid sunshine. (G.B. Shaw)
Aroma: Malzig, stark und frisch im Antritt. Die 56% sind nur ganz kurz zu spüren. Langsam kommt das Weißweinfinish durch. Ein frisches und fruchtiges Traubenaroma entwickelt sich. Etwas Eichenwürz aber wirklich nur ganz bisschen. Mit etwas Wasser habe ich die Kohlrabi und die Erdbeeren von @Archer. Die Kohlrabi aber nur weil ich es bei ihm gelesen habe.
Geschmack: Süß und stark im Antritt. Zuckerwatte und dann hefige Eichenwürze. Mit etwas Wasser schmeckt er für mich wie ein starker Weißwein. Auch das prickeln eines Weißweins habe ich im Mund.
Abgang: Mittellang süß belegt er den Mund mit schönen Weißweinaromen.
Fazit: Sehr schöner Malt. Das Weißweinfinish ist sehr gut gelungen. Und bis jetzt der beste Jura den ich im Glas hatte
Das Fass ist eine wichtigere Erfindung als das Rad, denn in einem Rad kann man keinen Whisky reifen.