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Allgemeines
 
Für viele Whiskyfreunde gilt ein Whisky, der in einem Sherryfass gereift wurde, als die Krönung des Genusses. Man erwartet sich von einem solchen Whisky eine dunkle Farbe, viele dunkle Fruchtaromen wie die von dunklen Beeren oder Trockenobst, den Geruch und den Geschmack von Rosinen oder Leder. Oftmals bestehen alte Sherryfässer aus europäischer Eiche, welche dem Whisky viele Tannine hinzufügt und ihm so die Noten von Zartbitterschokolade, dunklem Kakao und Espresso verleihen. 

 

Doch diese Sichtweise ist eine oberflächliche Betrachtung, denn Sherry ist nicht gleich Sherry. Es gibt viele verschiedene Sherrysorten mit zum Teil erheblich unterschiedlichem Charakter, welcher einen sehr differenzierten Einfluss auf den Whisky, der in den zur Sherryherstellung verwendeten Fässer reifen darf, haben kann. Deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick auf diese spanische Spezialität zu werfen und sich mit ihrer Herstellung und ihren Unterarten zu beschäftigen.

Sherry ist ein spanischer Wein, welcher nur in einem gesetzlich geschützten Gebiet rund um die Stadt Jerez de la Frontera hergestellt werden darf. Die Stadt ist gleichzeitig Namensgeber für diesen Wein, abgeleitet vom maurischen Namen der Stadt Sherish.


 
Herstellung und Sorten


 
Trotz seiner oftmals dunklen Farbe wird Sherry ausschließlich aus weißen Trauben hergestellt. Zum überwiegenden Teil wird die Rebsorte Palomino Fino verwendet, die einen trockenen Wein erzeugt. In deutlich geringerem Mengen werden die süßen Pedro Ximémez und Moscatel Trauben verwendet.
 
Zunächst wird aus den Trauben ein einfacher Wein hergestellt. Dann wird dieser Wein mit Branntwein aufgesprittet, also der Alkoholgehalt erhöht. Das weitere Herstellungsverfahren und die Art der Trauben bzw. der Verschnitt von Weinen aus verschiedenen Rebsorten entscheidet darüber, um welche Art von Sherry es sich handelt. Die verschiedenen Arten unterscheiden sich erheblich in Aroma und Geschmack.
 
Neben den drei genannten Rebsorten, die zu unterschiedlichen Sherryarten führen, ist es entscheidend, auf welche Art der Sherry reift. Die Sherryfässer werden aus Eiche hergestellt und nie ganz gefüllt, so dass der Sherry mit Sauerstoff in Berührung kommen kann. In Abhängigkeit davon zu welchem Alkoholgehalt der Wein mit Branntwein aufgesprittet wurde, bildet sich auf der Oberfläche eine Schicht aus Florhefe (Amontillado, Manzanilla, Fino). Diese Florhefeschicht schützt den Wein vor Oxidation und reduziert gleichzeitig kontinuierlich den Zuckergehalt des Weines, da die Hefe wie bei jeder alkoholischen Fermentation bzw. Gärung Zucker in Alkohol umwandelt. Daher sind die unter einer Florhefeschicht gereiften Sherrysorten sehr trocken.

 

Ab einem Alkoholgehalt von ca. 17% kann die Florhefe jedoch nicht leben. Auf diese Weise wird bei manchem Sherry (Oloroso, PX und Moscatel) die Bildung einer Florhefeschicht verhindert und eine Oxidation bewusst gefördert, indem der Sherry schon vor der Abfüllung ins Fass auf einen Alkoholgehalt von mindestens 17% aufgesprittet wird.

 


 
Die wichtigsten Sorten sind:


 
Fino
Reifung: Florschicht
Farbe: hell, gelb
Charakter: trocken

 

Manzanilla
Reifung: Florschicht
Farbe: hell
Charakter: trocken, salzig, zartbitter

 

Amontillado
Reifung: unter Florschicht bis zu deren Absterben, danach noch oxidativ
Farbe: bernstein bis mahagoni
Charakter: sehr trocken, nussig pikant

 

Oloroso
Reifung: oxidativ ohne Florschicht
Farbe: bernstein bis mahagoni
Charakter: trocken, kräftig, nussig, sehr aromenintensiv



Pedro Ximénez (aus der gleichnamigen Traube oder der Montilla Moriles Traube)
Reifung: oxidativ ohne Florschicht
Farbe: rötlichbraun bis annähernd schwarz
Charakter: sirupartig süß, rosinenartig 

 

Moscatel (aus der gleichnamigen Traube)
Reifung: oxidativ ohne Florschicht
Farbe: kastanie bis mahagoni
Charakter: süß und floral, üppig


 
Die Sorten Medium, Cream und Pale Cream sind Verschnitte aus verschiedenen Sherrysorten oder von Sherry mit Traubenmost oder Traubenmostkonzentrat, um den Wein süßer zu machen. Ein Pasada ist ein Fino oder ein Manzanilla, dessen Florhefe abgestorben ist und der noch kurz oxidativ nachreifte und stellt somit den Übergang vom Fino zum Amontillado dar.


 
Solera Verfahren


Unter dem Solera Verfahren versteht man eine bestimmte Form der Vermischung von Sherry unterschiedlichen Alters. Jeder Sherrry wird nach diesem Verfahren hergestellt. Dazu werden drei oder mehr Reihen Fässer übereinander gelagert. Tatsächlich ist dies nicht immer der Fall, aber es verdeutlicht das Prinzip am besten. Zur Abfüllung wird nur aus der untersten Reihe Sherry entnommen, aber nur soviel, dass die Fässer noch zu ca. zwei Drittel befüllt sind. Das fehlende Drittel wird mit Sherry aus der Fassreihe darüber aufgefüllt, aber auch hier nur so, dass die Fässer der zweiten Reihe immer noch zu zwei Dritteln befüllt sind. Diese wiederum werden mit Sherry aus der obersten Fassreihe aufgefüllt, welche den jüngsten Sherry enthalten. Auf diese Weise kommt es zu einer Vermischung der Sherry in unterschiedlichen Alterstufen.


 
Sherry und Whisky


Es bedarf wenig Phantasie, sich vorzustellen, dass die verschiedenen Sherryarten, die sich massiv unterscheiden (von sehr trocken bis sehr süß, von salzig bis zu fruchtig mild) einen sehr unterschiedlichen Einfluss auf den Whisky haben können, der nach dem Sherry in den Fässern reift. Leider geben die Whisky-Brennereien und Abfüller nicht oft an, um welche Sherrysorte es sich handelte, die sich zuvor in den Fässern befand. Die meisten eingesetzten Fässer enthielten wahrscheinlich zuvor Oloroso Sherry, aber auch Pedro Ximénez (PX) wird gerne verwendet. Die anderen Sorten (Fino, Manzanilla und Amontillado) werden seltener verwendet, aber es gibt auch Whiskys die in solchen Fässern reiften. So erhält die Caol Ila Destillers Edition etwas eine Nachreifung in Moscatel-Fässern und die Glenkinchie Destillers Edition reift in Amontilladofässern nach.
Welchen Einfluss der Sherry auf den Whisky hat, hängt von vielen Faktoren ab (wie oft wurde das Fass schon verwendet, wie lange reifte der Whisky in dem Fass, welche Sherrysorte war vorher in dem Fass), so dass es schwierig ist, eine pauschale Regel aufzustellen, welche Aromen und Geschmäcker welche Sherrysorte auf den Whisky überträgt. Als grobe Einordnung kann man sich jedoch wie folgt orientieren:

 

Fino, Manzanilla, Amontillado: trockene nussige Noten, Betonung des Holzes
Oloroso: rote Früchte, Leder, sowohl süß als auch trocken ist möglich, Schokolade und Kaffee
PX: Rosinen, süß, Schokolade und Kaffee
Moscatel: hellere Früchte, Unterstreichung der floralen Noten im Whisky, süß

 

Wichtig bei der Betrachtung des Einflusses der Sherryfässer auf den Whisky ist die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der herben Noten wie der Eindruck von Zartbitterschokolade, der Würzigkeit und verschiedener Kaffeearten aus der tanninreichen europäischen Eiche stammen, aus der Sherryfässer traditionell hergestellt wurden. Die heute zum Teil auch für Sherryfässer verwendete amerikanische Eiche verleiht dem Whisky ein anderen, milderen Charakter mit weniger Bitterstoffen.


 
Sherry - ein rares Gut


Der weltweite Sherrykonsum ist  seit den späten 70iger Jahren rückläufig, die Nachfrage nach schottischem Single Malt jedoch steigt beständig und damit auch die Nachfrage nach Sherryfässern - ein ungesundes Verhältnis. Erschwerend kommt hinzu, dass Sherry per Gesetz nur in Flaschen abgefüllt exportiert werden darf. Die frühere Synergie des gleichzeitigen Sherry- und Fassexportes ist somit entfallen. Denn für die Reifung von Whisky wurden schon immer fast ausschließlich die Transportfässer verwendet, in denen der Sherry nach Großbritannien exportiert wurde. Die Fässer, welche die Bodegas für das Solera Verfahren verwenden sind meist viele Jahrzehnte und manchmal sogar über 100 Jahre alt und werden selten verkauft.


 

 

Sherryverkäufe in Kernmärkten 1975 - 2017
Quelle: sherrynotes.com

 



Die Whiskybrennereien begegnen diesem Trend damit, indem sie Abkommen mit den Sherry Bodegas treffen. Diese stellen zum Teil im Auftrag der Whiskyindustrie Sherry her, der einzig und allein dem Zweck dient, aus Eichenfässern Sherryfässer zu machen. Dafür kaufte Macallan zum Beispiel sogar eigene Waldstücke, um aus den dort wachsenden Eichen Fässer herzustellen und übergibt diese Fässer an Sherry-Bodegas, um aus den Fässern Sherryfässer zu machen. Die Bodegas und Küfereien lassen sich die Herstellung der Fässer durch monatelanges Befüllen mit Sherry teuer bezahlen.

 

Nicht nur die Vorbefüllung macht die Sherryfässer teuer, sondern noch viel mehr die Tatsache, dass die Transportfässer ursprünglich aus europäischer Eiche hergestellt wurden. Europäische Eiche wächst langsamer als amerikanische Weißeiche. Für die im Solera Verfahren eingesetzten Fässer verwenden die Bodegas schin seit langer Zeit amerikanischer Weißeiche. Die Eichenart hat wie oben beschrieben einen erheblichen Einfluss auf den Charakter des darin gereiften Whiskys. Der unabhängige Abfüller Gordon MacPhail gibt in der Kampagne "the wood makes the whisky" sogar an, dass mittlerweile der Großteil der Sherryfässer (auf der Webseite steht "majority", in der gedruckten deutschen Übersetzung von Walter Schobert steht 97%) aus amerikanischer Weißeiche hergestellt werden.

 

Um den großen Bedarf der Whiskyindustrie nach Sherryfässer zu befriedigen werden mittlerweile "künstliche" Sherryfässer hergestellt. Dazu werden Fässer für mindestens zwölf Monate mit Sherry gefüllt, der nur dem einzigen Zweck dient, aus einem Fass ein Sherryfass zu machen. Der Sherry wird danach gar nicht mehr als Getränk verkauft, sondern, nachdem er mehrfach dafür verwendet wurde, Fässer zu Sherryfässern zu konditionieren, zur Herstellung von Essig verwendet. Dieser Prozess heißt "Seasoning" und wurde im Jahr 2015 von TheDrinksReport in einem Artikel beschrieben.

 

Wenn der Sherry nur kurze Zeit in den Fässern lagert, nimmt das Holz zwar den Sherry und die damit verbundenen Aromen und Geschmäcker auf, jedoch gibt das Holz wiederum nur einen Teil seiner Stoffe (vor allem Tannine) an den Sherry ab. Die restlichen Stoffe gehen dann später in den danach eingefüllten Whisky über. Ein traditionelles Sherryfass hingegen wurde von den Bodegas zum Teil jahrzehntelang für die Sherryreifung verwendet. Der Sherry hat dabei diese Fässer fast vollständig ausgelaugt, so dass solche Fässer, wenn sie später für die Whiskyreifung verwendet werden, zwar die typischen Sherrynoten an den Whisky abgeben, aber kaum oder keine Holznoten mehr. Doch solche Fässer sind für die Whiskybrennereien nur schwer zu beziehen, da sie von den Bodegas in der Regel nicht verkauft werden.

 

Seit 1981 ist es per spanischem Gesetz verboten, Sherry in Fässern zu exportieren. Die zuvor versendeten Fässer waren jedoch nicht die Fässer, welche für die Reifung des Sherrys verwendet wurden, sondern reine Transportfässer. Dadurch kamen die Fässer auch nur für einen relativ kurzen Zeitraum mit Sherry in Berührung und waren somit wahrscheinlich in ihrer Beschaffenheit (mit Ausnahme der Holzart) den Fässern, welche durch das Seasoning zu Sherryfässern gemacht werden, nicht unähnlich.

 

So wie oftmals auf den Whiskyflaschen keine Angabe zu der verwendeten Sherryart gemacht werden, erfährt der Whiskygenießer im Grunde nie aus welchem Holz das Fass bestand und wie lange zuvor Sherry darin gelagert wurde.

 

Damit die kostbaren Fässer möglichst effizient eingesetzt werden können, werden sie mehrfach zur Whiskyreifung verwendet. Irgendwann jedoch geben die Fässer kaum noch Sherryaromen und -geschmacksstoffe an den Whisky ab. Deshalb hat man diese Fässer bis 1989 damit aufgebessert, indem man sie mit Paxarette behandelt hat.

 

 

Paxarette


Paxarette ist ein Traubenmost, welcher durch Reduktion durch Herunterkochen soweit konzentriert wird, dass nur ca. ein Fünftel des ursprünglichen Volumens erhalten bleibt. Dieses Konzentrat wird anschließend vergoren und erhält dadurch einen Alkoholgehalt von ca. 9%. Oft wurde für den Most die sehr süße Pedro Ximénez Traube verwendet.
Entgegen manchen Gerüchten wurde Paxarette nicht dazu verwendet, dem Whisky eine zusätzliche Sherry bzw. intensive süßliche Note zu verleihen, sondern vorrangig ging es darum mehrfach verwendeten Sherryfässern, die kaum noch Aromen und Geschmacksstoffe an den Whisky abgaben, wieder Leben einzuhauchen. Dazu wurde Paxarette mit Druck in die Holzwände der Fässer eingespritzt.
Im Scotch Whisky Act 1988 wurde per Gesetz festgelegt (inkraft trat das Gesetz ab 1990), dass Whisky keinerlei Zusatzstoffe enthalten darf als natürliches Zuckerkulör. Damit war die Verwendung von Paxarette verboten. Manche Genießer trauern den Whisky, die in mit Paxarette behandelten Fässern reiften, nach oder sind auf der Suche nach Ihnen. Sie behaupten, die danach produzierten Whisky hätten nicht mehr den Geschmack aus der Zeit davor getroffen. 


 
Autor: Gloin

 






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