“Reservoir - Holland’s Milkman”... als wir den Namen des zu Beginn dieses Jahres (2024) in Deutschland verfügbar gewordenen Whiskeys hörten, ging erstmal Kopfkino los: “Milkman? Hat der Whiskey etwa was mit Milch zu tun? Wahrscheinlich doch eher nicht… oder etwa doch?” Nun, mehr dazu weiter unten. ;)
Erstmal: Die Reservoir Distillery ist eine Craft Distillery aus Richmond, Virginia, deren Standard Line Up bereits recht exotisch daherkommt: So besteht ihr Standard Bourbon zu 100% aus Mais (ihr Rye und Wheat je aus 100% Roggen bzw. Weizen), ferner wird auf Pot Stills gebrannt und alles reift - eher kurz - in “Quarter Casks”, also besonders kleinen Fässern mit einem Fassungsvermögen von ca. 50L statt dem bei Bourbon üblichen Volumen von 200L.
Das Brennen auf Pot Stills sowie die Reifung in kleinen Quarter Casks wird auch beim “Holland’s Milkman” so praktiziert. In Sachen Mashbill weicht er allerdings vom Reservoir Standard Bourbon ab: Statt 100% Mais kommen hier 70% Mais, 15% Weizen und 15% Roggen zusammen. Also ebenfalls eine recht ungewöhnliche Mashbill, die neugierig macht.
Für den “Holland’s Milkman” wird’s auch darüber hinaus nochmal etwas exotischer, denn - und nun kommen wir zur mysteriösen Namensgebung - hier kommen Milk Stout Barrels ins Spiel. Milk Stout ist ein Stout Bier, in dessen Herstellungsprozess Laktose (also Milchzucker) verwendet wird. Laktose wird während der Fermentation nicht in Alkohol umgewandelt, daher fügt es dem Bier Körper, Weichheit und Süße hinzu, so jedenfalls lautet wohl das selbstgesteckte Ziel von Milk Stout Produzenten.
Diesen Effekt wollen die Leute bei Reservoir auf einen Bourbon übertragen. Zunächst reift der Bourbon für mindestens 1,5 Jahre (laut Rücketikett auf Batch 8; bei anderen Batches auch mal: mind. 2 Jahre) in erwähnten Quarter Casks aus verkohlter Weißeiche, dann reift er für 12 - 18 Monate in gebrauchten Milk Stout Barrels (200L) nach… die übrigens aus der ebenfalls in Richmond, Virginia ansässigen Brauerei namens Ardent Craft Ales stammen.
Laut Reservoir verleiht dies dem Bourbon "mundüberziehende, seelenerwärmende Aromen von Milchschokolade und gerösteter Kondensmilch". Abgefüllt wird das ganze mit 53,5% vol. Also gut, höchste Zeit nun, dass unsere Nasen und Zungen in’s Spiel kommen…
Nase: Leichte Noten von Schokolade und Kaffeebohnen. Mit Fantasie auch etwas Milch. Dominanter jedoch etwas anderes, schwer definierbares. Am ehesten: Eine kräftige Mais/Getreide-Note. Mund: Sehr kräftig. Aber: Der Alkohol trägt geschmacklich vor allem eben erwähnte schwer definierbare Mais/Getreide-Grundnote. “Daneben” schweben zaghaft Noten von Schokolade und Kaffee… Als ob der Alkohol diese kaum mit-trägt, als seien sie nur paralleles und seichtes Beiwerk. Eine leichte malzige Bier-Note ebenfalls im Hintergrund. Zwar durchaus eigen und speziell, aber auch schmeckbar jung, insgesamt flach und letztlich auch grenzwertig-unangenehm künstlich anmutend. Abgang: Ziemlich kurz mit etwas Kaffee, dann noch etwas deutlicher und länger mit zuvor erwähnter Grundnote.
Der “Holland’s Milkman” hat bei Release unsere Neugier so sehr geweckt, dass wir ohne langes Überlegen bereit waren, die stolzen ca. 130€ für ihn auszugeben. Selbst den Preis mal völlig außer Acht lassend müssen wir sagen: Eine Enttäuschung. Der Grund-Bourbon ist zwar geschmacklich äußerst eigen, aber letztlich flach, merkbar jung und für uns nicht wohlschmeckend. Und die sich dazu gesellenden Schokoladen-Kaffee-Milch Noten, die das Milk Stout Barrel verleiht wirken seicht, unentschlossen und merkwürdig “parallel”: Nicht voll integriert, sondern “neben” dem Bourbon.
Seit kurzem verwenden wir ein Punktesystem, das von 0 - 10 Punkten reicht. In Aktion gestaltet sich das beim Holland’s Milkman wie folgt: Rolf vergibt 3 von 10 Punkten, für Kai erreicht er 4 von 10 Punkten.
Ein Hoffnungsschimmer besteht allerdings für Fans des Standard-Bourbons von Reservoir, zu denen wir uns nicht zählen können. Trotz völlig anderer Mashbill ist hier ein Brennerei-Charakter deutlich schmeckbar. Wir würden sogar sagen: Die Reservoir-typischen Bourbon-Noten dominieren auch hier beim "Milkman" weitgehend das Geschehen. Wenn man also den Reservoir Standard Bourbon mag - und sich hier eine seichte Ergänzung durch beschriebene Milk Stout Barrel-Noten gut vorstellen kann - dann kann man dem Holland’s Milkman vermutlich einiges abgewinnen.
Wenn ihr das ganze noch etwas genauer sehen möchtet, hier unser Verkostungsvideo zum “Reservoir - Holland’s Milkman”: