Nase: Intensive, dichte Sherryaromen strömen in die Nase. Auf Nüssen und Milchschokolade gebettet, greifen Rumosinen, Trockenpflaumen, Trockenfeigen, Pflaumenmus und schwarze Johannisbeeren wunderbar ineinander und treffen auf eine betörende Mischung aus Möbelpolitur, Leder und altem Eichenholz. Hier ist sie wieder: die alte Bibliothek mit schweren dunklen Eichenmöbeln. Ich bin hin und weg und kann mich gar nicht satt riechen. Der Alkohol ist mit seinen 57% in dem Sinne präsent, als dass er für eine enorme Stärke sorgt. Anfänglich zieht er noch recht deutlich in der Nase: wie eine Art Minz-Essenz. Das legt sich aber mit der Zeit. Fantastisch, wie der Sherry hier über die Zeit hinweg immer mehr Aromen freigibt. Der Eindruck wird immer weicher. Nüsse und Toffee sorgen für eine butterweiche Einbettung. Amarenakirschen deuten sich an. Es wird Zeit für den ersten Schluck.
Mund: Richtig weich und ölig trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Dunkle reife Pflaumen, Pflaumenmus, Rosinen und getrockenete Feigen treffen auf Tabak und eine alte knochentrockene Zigarrenkiste. Letztere sorgt für einen vortrefflichen unterschwelligen Rauch. Schokolade und etwas Kakao untermalen die leckere Mischung mit einer leckeren leichten Süße. Als wäre das noch nicht genug, entfalten sich zeitgleich leckere herbe Kräuter: Rosmarin, Thymian, Basilikum und eine Ahnung von Gewürznelken komplettieren das harmonische und vielschichtige Geschmacksprofil. Im Übergang zum Finish blitzt etwas Anis auf. Altehrwürdig anmutendes, knochentrockenes Eichenholz übergibt dann final den Staffelstab an den Abgang.
Abgang: Der Abgang ist mittellang bis lang. Fast alle genannten Einzelaromen finden sich auch im Finish wieder. Sie verbinden sich nahezu perfekt und changieren genussvoll. Da sind einerseits wieder die vielen leckeren dunklen Früchte und Trockenfrüchte: Rosinen, getrocknete Feigen, Trockenpflaumen und saftige schwarze Johannisbeeren. Andererseits die elegante, aber knöchern und alt wirkende intensive Eiche, Tabak und herbe Kräuter. Feinstdosierte Gewürznelken und leicht pikantes Anis binden diese interessante Mischung unheimlich harmonisch ab. Ich wünschte mir, dieses Finish würde niemals enden. Noch lange nach dem letzten Schluck sitze ich verträumt in einem schweren Ledersessel in der altehrwürdigen Bibliothek. Ein leicht adstringierendes Gefühl macht sich am Gaumen breit. Mit Eichenholz und feinsten Gewürznelken vermischter Espresso lässt mich von einer Großflasche träumen.
Charakter: Eine traumhafte Sherryabfüllung alten Schlages. Hier ist die alte Bibliothek Programm: Dunkle Sherryaromen treffen auf Möbelpolitur, Eichenholz, Leder und Tabak. Rauch wie aus einer uralten Zigarrenkiste durchzieht den Geschmack. Schöne herbe Kräuteraromen und Gewürznelken wirken wie ein Bindeglieg zwischen den genannten Aromen. Die Intensität ist beeindruckend und das Mundgefühl lädt regelrecht zum Kauen ein.
Bewertung: Eine traumhaft schöne Abfüllung, die mich ein wenig an das Glenfarclas Family Cask 1990 W17 erinnert. Wenn es mir noch einmal gelingen sollte, ein Sample von dieser Abfüllung aufzutreiben, werde ich beide Abfüllungen mal parallel probieren. Von mir gibt es für diesen prima Genuss heute begeisterte 93 Punkte. Falls jemand diese großartige Abfüllung besitzt und loswerden möchte, würde ich mich über eine PN sehr freuen.