Was hat es mit diesem "konfisziert" auf sich? Und warum ist der so teuer? , sind Fragen die einem in den Sinn kommen könnten, wenn man den Kentucky Owl zum ersten Mal in einem Händlerregal sieht.
Fangen wir beim Anfang an: Gegründet wurde die Marke 1879 von einem gewissen C.M. Dedman, damals mit eigener Destillerie. Bereits vier Jahre vor der 1920 beginnenden Prohibition wurden die gesamten Whiskey-Bestände (stolze 250.000 Gallonen) dann beschlagnahmt, und sollten nie wieder auftauchen. (Na, ob George Remus wohl was damit zu tun hatte? ;) ) In unseren Tagen machte sich dann ein gewisser Dixon Dedman - Nachkomme des Gründers - daran, die Marke wieder aufleben zu lassen. Das "confiscated in 1916" auf dem Etikett spielt auf eben erwähnten Umstand an und verleiht dem Bourbon einen gewissen "alt-ehrwürdigen" Touch... beinahe so, als habe man hier noch etwas von dem vor über 100 Jahren verschwundenen Whiskey in der Flasche, was natürlich ausdrücklich nicht der Fall ist. ;)
A propos Alter: Nicht bekannt, also mindestens 4 Jahre in frischer Eiche gereift. Die Mash Bill ist ebenfalls nicht bekannt. Gleiches gilt für die Herkunfts-Destille(n), denn es handelt sich um ein gesourctes Produkt, das mit 48,2% Alkohol in die Flasche kommt.
Dedman verkaufte die Marke übrigens vor einigen Jahren an die (vor allem für Wodka bekannte) Stoli Group. An einer eigenen Destillerie für Kentucky Owl wird bereits seit ein paar Jahren gebaut, das was wir hier in den Gläsern haben kommt aber definitiv noch nicht von dort...
Nase: Kräftig, Fruchtig-frisch, Himbeere-Kirsche, Vanille, Karamell, Pfeffer-Würze, Eiche, Nelke-Muskatnuss. Mund: Dezent fruchtig (Himbeere, rote Beeren), Vanille-Teig, dunkle, braune Noten, Karamell. Geschmackvoll, aber fein und geschliffen. Abgang: mittellang und wärmend.
Nicht extrem in irgendeine Richtung: Mittel-kräftig... in seiner gewissen Leichtigkeit sehr geschmackvoll, geschliffen, komplex. Gelungen. Ein guter Bourbon, der irgendwie in die Richtung eines Eagle Rare 10 Years geht: Nicht in jedem Detail was die Noten angeht, aber was den Grundcharakter betrifft. Und, das sei noch klar gesagt: alles in allem eher dezent, und (vielleicht auch ein wenig mehr als andere Bourbons) etwas tagesformabhängig.
Und nun kommen wir zum Problem: Der Preis. Vielleicht hat der Kentucky Owl seine Fans für die der Preis okay ist, doch für uns ist er das nicht. Würde er die Hälfte kosten, könnte man ihn gerade so noch empfehlen, doch die 100+ € stehen für uns in keinem Verhältnis zu dem was er bietet. (Anmerkung: In den USA ist er auch so teuer wie bei uns.) Wir haben hier das Standard-Produkt der Linie, keine Sonderabfüllung, auch die Rahmendaten sind nichts "besonderes". Okay: Beeindruckende Rahmendaten und super-spezielle Sonderabfüllungen sind beileibe keine Garanten für hohe Qualität und/ode Rechtfertigungen für hohe Preise! Denn selbst mit tollen Rahmendaten würde gelten: Das Endprodukt muss überzeugen.
Unter'm Strich bleibt für uns zu sagen: Schade. Wäre dieser Bourbon im Bereich irgendwo zwischen 35 und (wir sagen einfach mal maximal) 50 € angesiedelt, wäre er ein wirklich schöner weiterer Bourbon den "man haben kann".
Die Preise sollen übrigens erst nach der Übernahme durch Stoli angestiegen sein. Das tut jetzt für uns nicht viel zur Sache, soll aber erwähnt werden um Dixon Dedmans Grundidee hinter dieser Neubelebung der alten Familienmarke nicht allzu scharf zu kritisieren. Denn an sich ist das Wiederbeleben vergangener Marken eine schöne Sache.
Hab das Video dazu schon vor ein paar Tagen gesehen. Und hatte ihn schon mehrmals im Warenkorb und dann wieder entfernt. Wenn ich euch im Video so zugehört habe, war meine Entscheidung, den für den aufgerufenen Preis nicht zu kaufen, irgendwie doch richtig. Ein Hoch auf mein Bauchgefühl.