„Nichts auf dieser Welt ist gefährlicher als aufrichtige Ignoranz und gewissenhafte Dummheit.“ — Martin Luther King US-amerikanischer Theologe und Bürgerrechtler 1929–1968
Nase: Eine Nase, die nicht mit der Tür ins Haus fällt und sich nicht schon in den ersten Sekunden offenbart. Schnell wird klar, dass diese Abfüllung „erobert“ werden möchte. Nach dem ersten Riechen bin ich gar etwas verdutzt. Ja, Sherry ist erwartungsgemäß da, aber - wenngleich im positiven Sinne - Klebstoff? Woraufhin sich der Eindruck demonstrativ zu floral in Richtung Veilchen und Lavendel wandelt und ich schließlich immer noch in derselben Sekunde bei frischem Pfeifentabak lande. Spätestens beim zweiten Dahinriechen zieht mich eben jener in seinen Bann. Ganz im positiven Sinne. Majoran und Liebstöckel erweisen sich als erstaunlich gut passende Begleiter und mit der Zeit gesellt sich immer mehr leckeres herbes Getreide hinzu. Besonders schön empfinde ich zudem den satten, aber dennoch eleganten Holzrauch, der behutsam hin und her wabert und meine Geduld bis zum Probieren auf die Probe stellt. Der Alkohol ist perfekt eingebunden. Was für eine erfreulich schöne Nase fern der modernen und beliebig wirkenden Sherryprofile. Apropos Sherry: Rosinen und Pflaumen und Schokolade greifen derart harmonisch ineinander, dass ich fast vergessen hätte, das zu erwähnen. Nun aber zum ersten Schluck. Wenngleich ich noch ewig weiterriechen könnte.
Mund: Weich, sanft und intensiv trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Sofort sorgen etwas Leder, altes Segelleinen und ein leicht erdiger Geschmack einen etwas ausgefallenen, leckeren Rahmen. Auch Tabak mischt wieder mit; er wirkt lediglich etwas weniger frisch als in der Nase. Das mag aber auch an dem vielen dunklen Pflaumenmus liegen, dass zusammen mit einem satten herben Getreidegeschmack den Mund flutet. Das Eichenholz zieht im Hintergrund gekonnt die Fäden: mit einem interessanten Spanngsbogen aber ohne Hitze liegt die Abfüllung gediegen im Mund. So etwas liebe ich und unbewusst wälze ich den ersten Schluck mehrere Male genüsslich im Mund hin und her. Dabei zeigen sich Nüsse, Kakaopulver, etwas Lakritz, ein bisschen Toffee, Majoran, etwas Zimt und schöne Tannine vom Eichenholz. Besonders gut gefällt mir, dass allem Fasseinfluss zum Trotz immer wieder der herbe Getreidegeschmack durchblitzt. Die Intensität und das Mundgefühl lassen keine Wünsche offen. Genussvoll geht es nahtlos ins Finish.
Abgang: Das Finish ist lang und trotzdem nicht lang genug. Eichenholz, Pflaumenmus, Schokolade und herbes Getreide spielen einfach wunderbar harmonisch zusammen. Alles wirkt wie aus einem Guss und auf eine betörende Weise wird das Finish immer holziger, dunkelfruchtiger und trockener. In Begleitung von Lakritz und schwarzem Kaffee klingt der Tropfen dunkelfruchtig-holzig-herb aus.
Charakter: Eine intensive fassstarke dunkle Sherryabfüllung, die mit ihrem Facettenreichtum und ihrer gediegenen Ausgewogenheit punktet und sich geschmacklich positiv von vielen modernen Abfüllungen abhebt. Besonders gut gefällt mir, dass es hier bei aller Dunkelfrucht und Schokolade keine überbordende oder gar klebrige Süße gibt. Anstelledessen greift immer wieder leckeres herbes Getreide in das Steuer der Eiche und des offenbar sehr gut gewählten Sherryfasses.
Bewertung: Ein Underdog, der mich positiv überrascht und von dem nur angesichts des Preises und der vorhandenen anderen Bestände keine Großflasche bei mir einziehen wird. Der Trinkgenuss, den er beschert, ist mir heute satte 91 Punkte wert.