Nase: Farbe und Viskosität laden schon einmal zum Träumen ein. Mit einem leicht rötlichen Schimmer liegt die Abfüllung mahagonyfarben im Glas. Langsam laufen die Tropfen am Glasinnenrand hinunter und ziehen schöne Legs. Ein erstes Dahinriechen hinterlässt nachgerade Fassungslosigkeit: 64,1% Vol. ohne Spur von Aggressivität. Für den Ersteindruck gibt es ein schlichtes „wow!“. Hier gibt es satte in Kakao und Schokolade versenkte Sherryaromen satt. Gekonnt abgeschmeckt mit Gewürznelken. Saftige Rosinen, Trockenfeigen, Dörrpflaumen und Zwetschgen lassen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Das Kakaopulver, Toffee, Karamell und Haselnüsse tun ihr übriges. Ganz zu schweigen von der appetitanregenden Frische, die ich schwer in Worte fassen kann. Wie Minze, die in Orangenöl ihren Meister gefunden hat. Die Vorfreude auf den ersten Schluck ist riesig. Gleichzeitig ärgere ich mich fast ein bisschen darüber, dass ich mich an ü60% Vol. nicht herantraue. Es gibt konsequenterweise ein paar Tropfen Wasser vor dem ersten Probieren.
Mund: Was dem Genuss und der Intensität keinen Abbruch tut. Samt, weich und enorm kraftvoll trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Sofort flutet ein ganzes Trockenfrucht-Potpourri den Mund. Pflaumen, Trockenpflaumen, - jetzt habe ich es: Pflaumenmus! - , Zwetschgen, Rosinen, Trockenfeigen und Sauerkirschen treffen auf viel dunkle Schokolade und Toffee. Pfeffer, Zimt und Gewürznelken sorgen für eine intensive, würzige Begleitung. Ich bin beeindruckt von dem Zusammenspiel der einzelnen Geschmacker. Der Speichelfluss wird enorm angeregt und die Gewürznelken sorgen für einen kurzen Moment für ein leicht betäubtes Gefühl am Gaumen. Während das sich schnell wieder legt, wird es immer nussiger. Kraftvoll aber mitspielend und nicht dominierend kommt immer mehr Eichenholz durch. Bereits im Übergang zum Finish deutet sich sich Espresso an. Die Fruchtsüße, Fruchtsäure und Schokoladensüße bleiben dabei stets begleitend erhalten. Ebenso wie die Assoziation von einem reifem Gerstenfeld. Wahrlich kein komplexer Leisetreter, aber ein Kraftpaket, dass mich mit seinem Grundcharakter, seiner Lebendigkeit und seiner Stimmigkeit wahrlich begeistert.
Abgang: Der Abgang ist lang und kann machen, was er will: er ist so oder so nicht lang genug. Trockenfrüchte, saftige dunkle Fruchte, Eichenholz, dunkle Schokolade, Mandeln und Espresso sind jeweils für sich genommen schon lecker. Mit ihrem harmonischen Zusammenspiel und mithilfe der charaktervollen Gewürznelken brennen sie aber gerade ein Genussfeuerwerk ab, wie ich es in der Form bislang nur bei einigen Family Casks angetroffen habe. Ich fühle mich vom Grundcharakter schwer an das Family Cask W17 1990 Cask 9255 erinnert. Diese junge Abfüllung steht besagtem Altmeister kaum nach.
Charakter: Einfach nur wundervoll, was in 10 Jahren entstehen kann, wenn ein exzellentes Destillat auf ein hervorragendes Fass trifft. Dieses überwältigend intensive, mit Gewürznelken abgeschmeckte Trockenfrucht-Schokoladen-Nuss-Eichenholz-Espresso-Erlebnis braucht wirklich keinen Vergleich zu scheuen. Ein Teelöffel Wasser auf 2cl tut dem Trinkgenuss keinen Abbruch. Wahrscheinlich schwimmt diese Abfüllung auch noch besser, aber ich habe es dabei belassen.
Bewertung: Bevor mich das viele Tippen allzusehr von weiteren Genießen abhält, fasse ich mich kurz: begeisterte 92 Punkte und das beste 10-jährige Single Cask, das ich jemals im Glas hatte.