Nase: Das Hinriechen direkt nach dem Einschenken verrät, dass hier eine ordentliche Fassstärke im Glas liegt. Minze und Möbelpolitur stechen etwas in der Nase. Schon beim zweiten Dahinriechen ist dieser Überschwang aber verflogen. Was folgt ist eine wirklich beeindruckende Entwicklung im Glas. Anfänglich stehen dem intensiven Sherry noch Minze und Zitronenschalen gegenüber. Frucht und Säure stehen sich spannungs- und kontrastvoll gegenüber. Peu a peu wird es dann aber immer weicher und nussiger. Auf einmal durchzieht ein leckeres Schokoladenaroma die Nase. Minze und Zitrusfrüchte treten in den Hintergrund ohne jemals vollends zu verschwinden. Dunkle Schokoladenraspel und Kakao umhüllen Rosinen und Trockenfeigen. Eine Prise Pfeffer schwebt zusammen mit Oregano und etwas Majoran über dem Glas. Immer wieder kribbeln geriebene Orangenschalen in der Nase. Ihre prickelnde Schärfe stößt immer wieder auf etwas Dreckig-Erdiges. Eine etwas unruhige aber spannende Mischung, zumal auch ein paar Zündhölzer in der Luft liegen. Nach zwanzig Minuten Standzeit bilde ich mir ein, hintergründig erstmals auch das Eichenholz greifen zu können. Die Zeit für den ersten Schluck ist gekommen.
Mund: Ölig und intensiv trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Geschmacklich sind sofort saftige Rosinen und Trockenfeigen präsent. Der Sherry ist massiv und kommt mit ordentlich viel Dampf und Fruchtsäure daher. Sauerkirschen und leicht säuerlicher Pflaumensaft ziehen mir zusammen mit dem Alkohol die Mundschleimhäute etwas zusammen. Der Speichelfluss wird ordentlich angeregt und während Pfeffer unter dem Applaus von Zartbitterschokolade auf der Zunge Tango zu tanzen beginnt, entscheide ich mich für die Hinzugabe von bis zu einem viertel Teelöffel Wasser auf die restlichen 1,5cl. Pur ist mir dieser Tropfen etwas zu intensiv und brachial. Zumal jetzt auch Ingwer und die prickelnden Orangenschalen und Zündhölzer aus der nase geschmacklich auf den Plan treten und ordentlich auf die Zunge schlagen. Das Wasser erweist sich als eine gute Wahl. Der Grundcharakter bleibt zwar raubeinig, würzig und etwas verrucht-schwefelig, aber auf einmal prägen sich süßliche Untertöne aus. Nüsse kommen durch. Süßliche rote Johannisbeeren und versprengte Walderdbeeren verbrüdern sich mit Vollmilch- und Zartbitterschokolade und fangen die scharfe Würzigkeit gekonnt ein. Sie bremsen Pfeffer und Ingwer spürbar ein und verschaffen im Übergang zum Finish der durchaus leckeren Eiche die gebotene Aufmerksamkeit.
Abgang: Der Abgang ist mittellang bis lang. Von einem wohlig-wärmenden Gefühl in der Magengegend begleitet, glimmen unterschwellig durchweg die Gewürze des Geschmacks nach. Zündhölzer und immer trockener werdendes Eichenholz changieren gekonnt um die intensiven Trockenfrüchte und saftigen Rosinen des Sherrys. Neben den Fußabdruck des Orangenabriebs legt sich etwas Espresso auf die Zunge. Von Nüssen und Mandeln begleitet, fällt leicht bitter-herb der finale Vorhang.
Charakter: Eine intensive, leicht dreckig wirkende Sherryabfüllung, die mit richtig viel Fruchtsäure und einer bemerkenswerten Würzigkeit aufwartet. Pur ist sie mir fast schon etwas zu kantig und raubeinig. Mit bis zu einem halben Teelöffel Wasser auf 2cl gefällt mir die Abfüllung jedenfalls wesentlich besser. Ich stehe bei meiner Blindverkostung ein wenig auf dem Schlauch. Wegen des erdig-dreckigen Einschlags und den Zündhölzern tippe ich auf Campbeltown. Die Intensität spricht für deutlich über 50% Vol. Eichenholz ist reichlich da und die Gewürze schlagen fast schon etwas grob über die Stränge. Allen voran Pfeffer und Ingwer. Ich tippe von daher weder auf ganz als noch auf ganz jung. Vielleicht so um die 15 Jahre. Schmeckt so ein Glen Scotia Single Cask?
Bewertung: Eine intensive und charaktervolle Sherryabfüllung. Obwohl sie mit ihren Campbeltown-Anleihen nicht ganz meinen persönlichen Geschmack trifft, zweifelsfrei gut gemacht. Charaktervoll und mit Ecken und Kanten versehen, ist sie allemal. Vom mir gibt es insgesamt gute 89 Punkte. Und nun zur Auflösung: ups – für diesen Mortlach!