Nase: Schon der Ersteindruck ist herrlich ausgewogen. Facettenreich ruht diese fassstarke Abfüllung geradezu in sich. Beim ersten Dahinriechen gibt es von Toffee, Honig und etwas Leder umwobene Äpfel, Wachs und Limetten. Unterschwellig schwingen Rosinen mit. Allein mit den Zitrusnoten könnte ich mich eine Ewigkeit beschäftigen. Gekonnt greifen Limette, Zitrone und Grapefruit ineinander. Hin und wieder leicht gezuckert und kandiert wirkend und von einem zarter Thymian- und Eukalyptus-Hauch durchzogen. Schönes Malz kommt durch. Begleitet von einem alten Leinentuch, einem trockenen Lederlappen sowie dezenten Pfeifentabak-Anklängen. Eine wirklich spannende und entspannte Aromenreise. Haselnüsse und Röstaromen machen sich bemerkbar. Immer wieder kommen Vanille und auch frische blumige Noten durch. Enorm komplex. Es wabern so viele unterschiedliche und auch exotische Früchte mit, dass ich mich mit einem einzelnen Herausgreifen immer schwerer tue. Dennoch ein Versuch der Auflistung: Honigmelone, Kiwi Gold, reife Papaya, Kaki, Pfirsiche, und süße Ananas. Eine Dreiviertelstunde ist schon wie im Flug vergangen und ich mag nicht mehr aufhören, zu riechen. Diese Nase ist für mich einfach nur ganz großes Kino.
Mund: Ölig und kraftvoll trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Helle Früchte sind sofort da, bewegen sich im Unterschied zur Nase aber nicht ganz auf Augenhöhe mit den anderen kraftvollen Geschmäckern. Anstatt eines hellen und exotischen Früchtefeuerwerks gibt es etwas leisetretende helle Beeren, Pfirsich und Ananas. Zesten von Orangenschalen sind dafür umso präsenter. Sie werden lecker von süßlichen Limetten begleitet. Die Gemengelage ist von einer ordentlichen Portion Kerzenwachs durchzogen. Mich überrascht, dass bei alledem auch Rosinen geschmacklich so präsent sind. Die Taktgeber des Geschmacks sind allerdings herb-würziger Natur. Weißer Pfeffer und Minze verbeißen sich im Laufe der Geschmacksentwicklung nahezu in das hintere Drittel der Zunge und des Gaumens. Thymian ist wieder da. Der Gedanke an eine ganze Kräuterwiese verliert sich einem Berg von Mandeln und in Pampelmusensaft. Eichenholz arbeitet sich mächtig aus dem Hintergrund nach vorne. Bitter-herb und mit der Einsicht, dass fein ziselierte Fruchtgeschmäcker hier keine Chance mehr haben, geht es ins Finish über.
Abgang: Das Finish ist mittellang bis lang. Im Grunde genommen finen sich alle Bestandteile des Geschmacks auch im Abgang wieder. Ein leckerer bitter-herber Grundton ist stets vorhanden. Im Sinne von Pampelmusen und Eichenholz. Eine Ahnung von Kerzenwachs ist auch durchweg präsent. Mandeln und zunehmend auch Espresso treten mit der Zeit in die Fußabdrücke der Gewürze und Kräuter. Ich fahre desöfteren unwillentlich mit der Zunge über den Gaumen. Helle Früchte sind seit dem ersten Drittel der Geschmacksentwicklung passé. Dennoch klingt der Tropfen auf eine sehr leckere Art und Weise aus.
Charakter: Ein rundum schöner alter Highland Malt in Fassstärke. Die Nase ist unheimlich komplex und harmonisch. Ich überlege, ob ich den Rest meines Samples trinke oder einfach nur zum immer mal wieder daran riechen aufhebe. Der Geschmack entscheidet sich überraschend klar und recht schnell für die eher herb-würzige Seite. Leider habe ich zu wenig von der guten Abfüllung, um geschmacklich etwas herunterverdünnt zu probieren. Die Frage, ob sich dann mehr Frucht entfaltet wäre spannend. Das Finish setzt wiederum einen gekonnten Schlusspunkt. Eichenholz, Mandeln und Pampelmuse flirten mit Espresso.
Bewertung: Die Nase ist ein Gedicht. Der Geschmack kann die durch die Nase geschürten Erwartungen nicht ganz halten. Die Intensität passt, aber die herbe Würzigkeit und die Schärfe sind mir ein klitzekleines Stückchen zuviel. Darunter leidet die Geschmacksvielfalt etwas. Auf hohem Niveau. Das Finish gefällt mir wiederum sehr gut, weil es dem geschmacklich eingeschlagenen Pfad noch ein i-Tüpfelchen aufzusetzen vermag. Was mache ich daraus nur? Während des Verriechens und vor dem ersten Probieren habe ich mich dabei erwischt, dass ich trotz des wahnsinnigen Preises mit dem Gedanken an eine Großflasche gespielt habe. Das tue ich jetzt nicht mehr. Allerdings auch wegen der Höhe des Preises. Die Hälfte wäre er mir durchaus wert, aber so freue ich mich, dass ich ihn probiert habe, und überlasse anderen den Genuss. In Anbetracht der traumhaften Nase gibt es von mir heute insgesamt 92 Punkte. Wohl wissend, dass dieses einmalige und kurze Kennenlernen über knapp zwei Stunden hinweg eigentlich viel zu wenig ist, um sich treffend über eine solche Abfüllung auszulassen.