Es beginnt mit der Farbe: Tiefdunkle spanische Sherrynacht. Naturgemäß in beiden Gläsern, im Premium Snifter von Spiegelau ebenso wie im Riedel Vinum Bordeaux (li.). Ermöglicht hat diesen Vergleich @Cù Bòcan mit seiner Flaschenteilung; vielen Dank! Der Test kann beginnen ...
Geruch: Alles klar, ein Sherrykracher mit Eiche. Fleischig. Der Alkohol (59%) liefert eine angenehm kühlende Note. Liebstöckl, Majoran. Nach einiger Zeit im Glas melden sich die ersten dunklen Früchte, Zwetschkenröster. Und wieder Eiche. Und irgendeine für mich undefinierbar künstliche Note. Vom Brennereicharakter ist da nichts mehr übrig.
Mit etwas Wasser wird der Malt natürlich etwas leichter und die Sherry-Aromen treten in den Vordergrund.
Geruch aus dem Bordeauxglas: Hier stehen Sherry und Dunkelfrucht im Vordergrund, der Alkohol ist fast nicht wahrnehmbar, die Fleischigkeit mit Eiche und Liebstöckl sind nun im Hintergrund. Gefällt mir eindeutig besser als aus dem Premium Snifter. Angenehm fruchtig.
Mit etwas Wasser verstärken sich aus dem großen Glas interessanterweise die Eichennoten und auch der Schwefel ist erstmals zu spüren. Gefällt mir aus dem Bordeauxglas unverdünnt besser.
Geschmack: In den Mundraum kommt dieser Pulteney mit ordentlicher Eichenbitterkeit, jetzt ist auch Schwefel da. Holla. Nun kommen Liebstöckl und Sherry, die 59% beginnen zu prickeln. (Allerdings ist es kein Mundhöhlenräuber wie der 2004er.) Eine klassische Sherrybombe mit Schwefel, viel Eiche, Gewürzen und etwas dunklem Pflaumenmus.
Mit etwas Wasser kommt der Malt natürlich leichter in den Mundraum, wirkt allerdings weniger kompakt. Eiche und Schwefel melden sich in der zweiten Welle und bleiben auch im Abgang präsent.
Geschmack und Abgang aus dem Bordeauxglas: Es sind zuerst tatsächlich mehr Dunkelfrucht und Sherry zu vernehmen, Schwefel, Liebstöckel und Majoran kommen erst in der zweiten Welle. Der Alkohol bleibt angenehm eingebunden. Alles in allem ein harmonischerer Auftritt. Für eine Sherrybombe.
Im Abgang setzen sich dann auch die aus dem Premium-Snifter dominanten Noten durch: Eiche und etwas Schwefel, Liebstöckl sowie die schwer definierbare künstlich-fruchtige Note. Insgesamt finde ich auch den Geschmack und Abgang aus dem Bordeauxglas etwas besser. Es bleibt aber eine ganz typische Sherrybombe.
Etwas Wasser im großen Rotweinglas öffnet den Malt in der Nase nochmal Richtung Frucht und Sherry. Im Mundraum zeigen sich zuerst wieder Dunkelfrucht und Sherry, ehe schön langsam Eiche, Liebstöckl, eine leichte künstliche Note und Schwefel dazukommen, die auch den Abgang dominieren. Wirkt insgesamt runder, gefälliger.
Abgang: Der Abgang ist natürlich mittellang bis lang und würzig. Eiche und Schwefel bleiben, ebenso wie Dunkelfrucht und Sherry. Ein wirklich "typischer" Sherrybomben-Nachklang.
Fazit: Nicht immer war früher alles besser. Die Pulteney-Sherry-Bombe aus dem Einzelfass, 1990 bis 2006 gereift, ist zwar ein typischer Sherrykracher, kann aber lange nicht etwa mit dem großartigen Single Cask 2004/2018 mithalten. Für Freunde eichen- und schwefellastiger Sherrybomben eine Empfehlung.
Für alle, die es etwas aromenvielfältiger haben wollen (auch bei Sherrybomben geht das) oder gar den Brennereicharakter von Pulteney ahnen möchten, ist das die falsche Variante. Für mich etwas eintönig und wenig einnehmend, ergibt das 85 Punkte. |addpics|etv-9v-d2ae.jpg-invaddpicsinvv|/addpics|