20191209_Nevis23CL_01.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Ben Nevis 1995/2019 Claxton’s The Single Cask 1975-918 (WID 143186)
Farbe: Pale Gold
Nase: Auf Anhieb schwebt ein intensiver hellfruchtiger Geruch über dem Glas. Eine leckere Mischung aus reifen Birnen, Quitten, Aprikosen und kandierten Äpfeln zieht in die Nase. Von grünem Tee und frischen Kräutern begleitet und mit etwas Honig versetzt. Minze und Thymian seien hier stellvertretend für die komplexe Kräutermischung genannt. Im Hintergrund changieren Zitronen- und Limettenschalen. Auch sie wirken wieder leicht gezuckert. Hin und wieder blitzen Rosinen durch und quasi zeitgleich muss ich ein zweites Mal an saftige Beeren denken. Wahnsinn, was für eine Komplexität die Nase offenbart, wenn man ihr richtig viel Zeit gibt. Alles richtig schön lebhaft und trotz der Bandbreite der Einzelaromen sehr harmonisch. Hier kommt zu keiner Zeit Langeweile auf. Das Gerstenmalz wirkt sehr elegant. Selbst ein bisschen Leder und ein Hauch Möbelpolitur sind mit dabei. Hin und wieder kommt sogar etwas Marzipan durch. Der Alkohol sticht anfänglich unverdünnt ganz leicht in der Nase. Spätestens mit dem ersten Schluck legt sich das aber.
Mund: Unverdünnt trifft der Tropfen enorm intensiv und unmittelbar speichelflussanredend auf die Zunge. Zum einen macht sich Fruchtsäure bemerkbar. Orangenschalen spielen zusammen mit Pfirsichen, Aprikosen, Quitten und Honigmelone eine hellfruchtige Ouvertüre. Sekundenbruchteile später haut dann förmlich Pfeffer auf die Pauke. Es wird bemerkenswert würzig und unverdünnt fängt die ganze Zunge an zu prickeln. Ich fange unweigerlich an, zu Kauen. Kraftvoll verschafft sich ein saftiger Eichenholzgeschmack Geltung. Mandeln und leicht bittere Kräuternoten bahnen den Weg zum Finish. Ein Teelöffel Wasser auf 2cl verändert den Geschmack enorm, ohne dass ich sagen könnte, was mir im Vergleich besser gefällt. Ein wirklich guter Schwimmer. Dieser eine Teelöffel Wasser nimmt der Abfüllung das Brachiale. Er bremst den Pfeffer und die Kräuter etwas ein und sorgt geradezu für ein mildes und cremiges Mundgefühl.
Abgang: Das Finish ist lang und wie Nase und Geschmack ein wenig mysteriös. Süßliche hellfe Früchte treffen auf leicht bittere Grapefruit, ordentlich viel Pfeffer und ganz viel Eiche. Mehr als 10 Minuten nach dem letzten Schluck sind im Nachgeschmack noch bitter-herbe, würzige und fruchtige Facetten enthalten. Ganz zu schweigen von dem Saft der Eiche bzw. dem Eichenholz….
Charakter: Ein Ben Nevis mit einer komplexen Nase, ordentlich Feuer im Geschmack und einem langen Finish. Helle Früchte treffen Kräuter und würzige Eiche. Blind hätte ich niemals auf einen Sherry-Malt getippt. Ein Vertreter der sich vergleichsweise schwer beschreiben lässt, da er sehr wandelbar ist und je nach Tagesform und Menge zugegebenen Wassers immer wieder andere und zum Teil sogar ganz neue Facetten offenbart. Achtung: eine gewisse Bitterkeit sollte man mögen.
Bewertung: Eine Abfüllung, die mir ausgesprochen gut gefällt, weil sie mir zu keinem Zeitpunkt das gefühlt gibt, dass ich ganz genau weiß, was ich von ihr halten mag. Wer Eiche und eine gewisse Bitterkeit nicht mag, ist hier raus. Mich zieht dieser Ben Nevis aber in seinen Bann. Ein spannender, hellfruchtiger und würziger Vertreter für Abende, an denen es weder Rauch noch dunkler Sherry sein soll. Richtig gut gefällt mir die Wassserverträglichkeit. Dadurch bekommt man quasi mindestens zwei verschiedene Malts mit nur einem Flaschenkauf. Von mir gibt es gerade wegen seiner Unberechenbarkeit, ja nachgerade Widersprüchlichkeit faszinierte 92 Punkte. Ein Großflaschenkandidat? Selbst das weiß ich nicht hundertprozentig. Zumal für den Preis. Aber irgendwas im mir schreit „ja!“…