Entkorkt wird heute, zur Begrüßung der heiligen drei Könige, das königliche Willkommensgeschenk für den Beitritt zur Scotch Malt Whisky Society, geschuldet ihrem aggressiven Expansionskurs. Neue Konsumenten müssen her, das lässt man sich auch gerne einen 16-jährigen Royal Brackla kosten. Wäre ich auch so eingetreten? Nein – es funktioniert also.
Diese Notizen betreffen den neck pour – ohne jede Gewähr. Eine Verkostung ist eine Momentaufnahme, eine Begegnung zwischen einem Menschen in einem instabilen Ist-Zustand mit einem Whisky in einem instabilen Ist-Zustand. Strangers in the night…, nur sehr bedingt aussagekräftig, wenn auch stets spannend. Ich schicke das voraus, weil ich ziemlich sicher bin, dass dieser Whisky in einem Jahr aus einer vielleicht zu einem Drittel geleerten Flasche anders schmecken wird. Er hat das Potenzial zur Entwicklung.
Zunächst darf ein schönes, helles Bernstein zwanzig Minuten andächtig betrachtet werden. Der erste Eindruck in der Nase ist dann - hochtönig, klar, frisch und wie angekündigt: Himbeere. Destilleriecharakter? Whiskypedia verrät: “As well as having this fresh, perfumed fruitiness Brackla also possesses a clean acidity, and it is this which allows it to cut though the powerful flavours given during ageing in ex-Sherry casks.” Das passt zu 100%. Und ich unterstelle mal, dass man hier gezielt ein Olorosofass gewählt hat, welches den Stil der Brennerei unterstützt, denn was folgt ist all treble, no bass (sorry, Meghan Trainor). Keine Bitterschokolade, kein Kaffee, keine Röstnoten, schon gar kein Schwefel. Auf die Himbeere folgen Orange, etwas Marzipan, ein Hauch Milchschokolade. Die Nase erblüht sehr schön und wird immer intensiver, bleibt aber fruchtig-süß: Pflaume haben wir jetzt, Vanille, immer noch: kein Leder, kein Tabak, kein Holz. Früchte auf likörgetränktem Biskuitboden trifft es ganz gut. Die Pflaumen werden leicht säuerlich, es kommt noch eine traubige Note hinzu, und dann endlich auch etwas Holz, aber mentholig, nicht dunkel, dazu etwas Kerzendocht (leicht rauchig-wachsig) und zu guter Letzt bekommt das Obst noch ein paar lactonische Pfirsichnoten. Eine schöne, komplexe Entwicklung in der Nase.
Am Gaumen ist er ganz anders: viel biskuitige Süsse ist zwar da und massiver alkoholischer Punch. In der Nase wird nach dem ersten Schluck der Kerzendocht dominanter. Auch im zweiten Antrunk ist mir der Alkohol aber zu stark, der erschlägt was vielleicht an Frucht da sein könnte. Wasser muss her. Dadurch verliert er an der Nase deutlich an Komplexität, im Gaumen wird er fruchtiger, aber nur diffus, er versteckt sich. Das gehen wir in einer zweiten Runde nochmal an, diesmal wird vom Start her auf 48% runterverdünnt.
Nach dreißig Minuten ist er in der Nase unspektakulär beerig. Fazit: Nosing bitte in Fassstärke!
Im Mund ist er dafür aber deutlich angenehmer, aber ganz anders als in der Nase: malzig, brauner Zucker, pfeffrig, würzig, ja, viel Holzwürze und bittere Walnuss im Finish. Ein vielleicht etwas zu trockener Abgang. Auch hier weniger Bass und mehr Treble, trotzdem schmeckt er wie ein anderer Whisky: kaum Sherryfrucht, mehr vom Destillat und den Bourbonfässern und dem europäischen Holz. Ich glaube jedoch, hier könnte sich in den nächsten Monaten noch viel tun, es brodelt da unter der Oberfläche vor Komplexität und Reife, die in der Nase schon viel deutlicher ist, es zeigt sich nur noch nicht, jedenfalls heute nicht mir.
Fazit: Ein interessanter, hochwertiger Whisky am Anfang seiner Flaschenlaufbahn. Mir fiel zu diesem Royal Brackla sofort ein Komplementärwhisky ein, den ich mir letztes Jahr zum Geburtstag gegönnt habe: Der Box Nebula 2 von Scotch Universe, ein 13-jähriger Blair Athol in Oloroso Vollreifung mit 57,2%. Yang und Yin. Diese beiden Scotches treffen sich bei der Pflaume, aber der Blair Athol geht (auch hier passend zum nussigen Destilleriecharakter) im Gegensatz zum hellen fruchtigen Brackla komplett in die Richtung Kaffee, röstig, Nougat dunkel. Zwei fassstarke oloroso-geprägte Highlander, beide auf ihre ganz unterschiedliche Art faszinierend und schön, das ist es, was ich an Scotch so liebe!
(Für Punkte ist es hier zu früh)
"Drink because you are happy, but never because you are miserable." (G. K. Chesterton).