Na, Leute haben später erzählt, hätte ich mir Geschichte nur ausgedacht. Böse Leute haben erzählt: Hätte ich Schwäche für Alkohol, die ich auf Erde heimlich mache, aber wenn ich bin auf lange Raumfahrt, dann hemmungslos. Gott allein weiß was gibt für Gerüchte, aber so sind Menschen: Glauben lieber größte Blödsinn, als wahre Tatsache. Ijon Tichy - Raumpilot
Geruch: Sherry. Und von dem ordentlich viel. Etwas Bourbonfasstraube und Vanille. Gleich wieder Sherry, etwas Heidelbeere und Eiche. Thymian führt die Kräuter an. Das intensive Sherryaroma liegt wie eine leichte Decke über der Frucht- und Kräutersubstanz. Wenn man Pulteney kennt, findet man auch etwas Salzgischt.
Geschmack: Sherry, Heidelbeere, Eiche, gesalzenes Karamell. Die Kräuter kommen wieder, feuchter Waldboden. Schönes Frucht-Süße-Säure-Sherry-Sazigkeits-Spiel. Der hat schon etwas sehr Verführerisches.
Abgang: Der Abgang ist mittellang und bleibt harmonisch wie am Gaumen. Sehr sanft; ein Schmeichler.
Fazit: Ein schmeichelweicher Pulteney-Sherry-Verführer. Die prononcierte Sherrylastigkeit überdeckt zwar etwas die wunderbar intensive Klarheit der ersten Batches, hat aber ihren eigenen Reiz. Das ist ein Pulteney für Glendronach-12-Liebhaber:innen. Die initiale Ex-Bourbonfass-Reifung mit leichter Maritimität ist auch im "neuen" 15er-Pulteney (dunkle Batches ab der zweiten Jahreshälfte 2021) zu spüren und bereichert die intensive Sherry-Fruchtigkeit. Die 46% sind bei diesem Malt überhaupt nicht zu spüren, der trinkt sich fast wie Heidelbeer-Limonade. Für mich ein insgesamt sehr gutes 90.5-Punkte-Vergnügen (91-90.5-90 und damit 5/7 oder B+ in meinem aktuellen Bewertungsschema).
Stellung in der Pulteney-Range: Was soll man dazu sagen? Der "neue" sherrylastige Pulteney 15y ist eine Geschichte für sich und offenbar für all jene komponiert, die nicht-hitzige Sherryintensivlinge (v.a. von anderen Destillerien) mit intensiver Fruchtigkeit mögen. Eingefleischte Pulteney-Freunde könnten sich fragen, warum man das ohnehin hervorragende ursprüngliche Rezept dermaßen stark geändert hat. Die Verantwortlichen haben offenbar gemeint, dass sich diese leicht(er) zugängliche Komposition besser verkaufen lässt. Wie es aussieht, könnten sie damit nicht ganz falsch liegen ...
Nase: Frische Sherryaromen ziehen in die Nase: Orangen und ein feiner Hauch Seeluft durchziehen die von Rosinen, Trockenfeigen, Passionsfrucht und Schokolade gebildete Gemengelage. Unterschwellig schwingen Karamell und Vanille mit und nach und nach kommen süße Beeren zur Geltung: allen voran Heidelbeeren und reife Johannisbeeren. Feine Kräuter sind auch mit von der Partie. Sie verstehen sich zwar eher als zurückhaltende Begleiter, runden die Nase aber schön ab. Auf jeden Fall ist Heidekraut dabei und etwas Thymian gibt es auch.
Mund: Vergleichsweise klar trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Rosinen und Datteln setzen einen leicht erdigen Trockenfrucht-Grundton, zu dem sich überraschend schnell ordentlich viel Eichenholz gesellt. Es geht würzig im Mund her: Pfeffer wird von etwas Orangenschalenabrieb befeuert, während es geschmacklich dunkelfruchtig bleibt. Reife Heidelbeeren treffen auf dunkle Schokolade. Das Eichenholz wird spätestens im Übergang zum Finish bemerkenswert intensiv. Das gefällt mir. Die Intensität lässt keine Wünsche offen.
Abgang: Der Abgang ist mittellang bis lang. Während im Hintergrund herbe Kräuter und Orangenschalen wabern, spielen unter der Regie eines immer intensiver und trockener werdenden Eichenholzes Schokolade, Heidelbeeren und nunmehr auch Nüsse ein stimmiges Spiel. Ganz zum Schluss kommen noch ein paar Spritzer Espresso hinzu.
Charakter: Ein gut trinkbarer dunkelfruchtiger Old Pulteney, der mit seine 46% Vol. durchaus intensiv daher kommt und mit einer schönen Heidelbeer-Schokoladen-Eichenholz-Kombination punktet. Etwas Seeluft und Salzkaramell ist auch mit dabei und die Eiche ist überraschend intensiv.
Bewertung: Ein rundum schöner Sherry-Standard, der für den ich gute 88 Punkte springen lasse, und der aktuell noch für 70 EUR zu haben ist. Für mich zu dem Preis ein wirklich gutes Preis-Genuss-Verhältnis.