Nase: Anfänglich sticht der Tropfen merklich in der Nase. Neben hellen Früchten macht sich eine Klebstoffnote bemerkbar. Richtung UHU. Ein paar Minuten Standzeit schaffen Abhilfe. Oder die eigene Nase hat sich schlichtweg daran gewöhnt. Reife Zitronen und Limetten treffen auf feinherbe Getreidenoten. Nach und nach kommen immer mehr Aprikosen, Pfirsiche und Marillen durch. Gekonnt fügen sich süße saftige Birnen fügen ein. Immer wieder durchzieht ein feiner Hauch von grünem Tee erfrischend die schöne Fruchtsüße. Es wird immer weicher und filigraner. Die einzelnen Aromen changieren lebhaft und ziehen mich zunehmend in ihren Bann. Da sind noch zahlreiche helle Früchte, die ich gerade schwer greifen kann. Und Honig. Gibt es eigentlich kandierte rosa Grapefruit? Auf jeden Fall gehen mir Kiwi Gold nicht mehr aus dem Kopf während ich immer noch mit der Frage ringe, ob hier auch süße Granny Smith mit dabei sind. Die Nase macht definitiv Spaß und ich freue mich auf den ersten Schluck. Mit einem halben TL Wasser auf 2cl kommt übrigens auch etwas Vanille zur Geltung. Das hatte ich vorher nicht.
Mund: Unverdünnt trifft der Tropfen leicht ölig auf die Zungenspitze. Was dann folgt, ist fast schon brachial. Quasi zeitgleich explodieren Zitrusfrüchte, helle Früchte und enorm viel Pfeffer und Ingwer im Mund. Es prickelt auf der Zunge, mir wird schlagartig warm und während mir klar wird, dass der Rest des Samples mit etwas Wasser genossen wird, kommen zunehmend Eichenholz und Mandeln durch. Etwas Wasser vermag das Brachiale etwas zu mildern, aber Vorsicht: diese Abfüllung ist kein guter Schwimmer. Zu viel Wasser zahlt unmittelbar negativ auf das Mundgefühl ein. Es schlägt vergleichsweise schnell von ölig zu wässrig-klar und grantig um. Das gefühlte Optimum zu finden, braucht bei dieser Abfüllung bestimmt etwas Zeit. Auf jeden Fall dämpft etwas Wasser den vielen Pfeffer und Ingwer. Dadurch kommen Limetten, kandierte Grapefruit und süße grüne Äpfel besser zur Geltung. Ohne dem Geschmack ihren Stempel aufzudrücken, blitzen Marillen und Birnen für einen Moment durch. Die Geschmacksentwicklung ist zwar erfreulicherweise etwas langsamer als unverdünnt, aber immer noch vergleichsweise schnell. Gefühlt komme ich immer noch im Eilschritt bei Eichenholz, intensiven bitter-herben Kräutern und Mandeln raus. Nahtlos fügt sich das Finish an.
Abgang: Der Abgang ist mittellang. Gefällig aber irgendwie auch etwas unspektakulär klingen Eichenholz, Grapefruit, Mandeln, herbe Kräuter und süße helle Früchte nach. Begleitet von einer angenehmen Wärme in der Magengegend. Bitter-herb und kräuterig fällt schließlich der finale Vorhang.
Charakter: Eine kraftvolle aber auch etwas ungehobelte Einzelfassabfüllung. Wasser eignet sich zum Feinschliff nur bedingt. Ex-Bourbon-Freunde, bei denen es auch einmal etwas gröber und würziger zugehen darf, kommen hier durchaus auf ihre Kosten. Auf jeden Fall gibt es Zitrusfrüchte satt, ordentlich viel Pfeffer und Ingwer und ein respektables Eichenbrett. Wäre da nicht der Preis, quasi wie gemacht als Begleiter für das sommerliche Grillen.
Bewertung: Die Nase gefällt mir mit ihren schönen Zitrusfrüchten und Früchten am besten. Je mehr Zeit ich ihr gegeben habe, desto mehr hat sie mich in ihren Bann gezogen. Das lebhaft-filigrane Zusammenspiel der Aprikosen, Pfirsiche und Marillen mit den Zitronen und Limetten behalte ich genussvoll in Erinnerung. Geschmack und Abgang fallen im Vergleich leider deutlich ab. Ich hätte mir eine längere Geschmacksentwicklung gewünscht, Pfeffer und Ingwer sind mir zu brachial und die einzelnen Geschmäcker stehen eher nebeneinander, als dass sie stimmig ineinandergreifen. In der Gesamtschau gibt es von mir gute 87 Punkte.