Glenfarclas The Family Casks 1986/2015 (Release W15) (WID 75750)
Farbe: Chestnutoloroso Sherry
Nase: Intensive, gesetzte Sherryaromen strömen in die Nase. Die hohe Fassstärke ist unverkennbar: vor allem die vielen Kräuter ziehen anfänglich begleitend etwas scharf in die Nase. Außerdem ist viel würziges Eichenholz präsent. Während im Vordergrund Datteln, Trockenfeigen, Rosinen und vereinzelte Trockenpflaumen auf leckere Art und Weise Haselnüssen, etwas Schokolade und Leder begegnen, changieren im Hintergrund reife Zitronen. Von Beginn an zieht sich eine bemerkenswerte Frische durch die Nase. Das hier ist beileibe kein schweres, dunkles Family Cask. Etwas Möbelpolitur gesellt sich zu dem trockenen, intensiven Eichenholz. Die Tendenz geht in Richtung alter Bibliothek. Auf der Fruchtseite kommen rote Johannisbeeren, Heidelbeeren und vereinzelte Zwetschgen durch. Und immer wieder diese Kräuter und Gewürze. Majoran, Thymian und ein bisschen frische Minze treffen auf Pfeffer, etwas Zimt und immer mehr Anis. Eine lange Standzeit lohnt sich insofern, als dass sich das Stechen in der Nase etwas legt und sich die eine oder andere Kante glättet. In Summe eine leckere, klassische Oloroso-Nase, die mir unverdünnt bisweilen aber etwas ungestüm daherkommt und irgendwie nicht ganz so harmonisch wirkt, wie ich es mir erhofft hätte. Auch ein paar Tropfen Wasser ändern daran nichts.
Mund: Weich und ölig trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Auch geschmacklich geht es schnell recht würzig zu. Die Kräuter sind sofort da. Sie setzen einen etwas bitteren Akzent. Neben Thymian und Majoran muss ich ein wenig an Löwenzahn und Chicoree denken. Interessant finde ich, dass vordergründig überraschend viel süßliche Beeren durchkommen. Heidelbeeren, rote Johannisbeeren und rote Stachelbeeren sorgen für einen schönen Kontrast zu den aufziehenden Gewürzen noch bevor Rosinen und Trockenfeigen auf den Plan treten. Gewürze sind aber das Stichwort. Hier ist ziemlich viel Pfeffer am Werk. Zwischenzeitlich sorgt er zusammen mit Ingwer und viel Anis für ordentlich viel Dampf am Gaumen. Unterschwellig versucht Schokolade die Wogen zu glätten. Fortan spielt die Schokolade geschmacklich für mich die wichtigste Rolle. Auf respektable Art und Weise gelingt es ihr, das aufziehende trockene und dicke Eichenholzbrett einzufangen. Der Eichenholzgeschmack dreht gefühlt wieder die bitteren Kräuter hoch, aber die Schokolade verliert zu keiner Zeit ihrem Kompass. Mit einen schönen Wechselspiel zwischen trockenem Eichenholz, bitteren Kräutern und Mandeln und Schokolade geht es nahtlos ins Finish über.
Abgang: Das Finish ist mittellang bis lang. Die süßen Beeren und Trockenfrüchte aus dem Geschmack treten etwas in den Hintergrund, bleiben aber durchgängig präsent. Die Musik spielen dafür nach wie vor das dicke alte Eichenholzbrett, die bitteren Kräuter und Mandeln und die Schokolade. Alle Hauptprotagonisten halten sich bis ganz zum Schluß. Das, was ab dem letzten Drittel der Geschmacksentwicklung passiert, gefällt mir an dieser Abfüllung am besten. Ein paar Spritzer Espresso sorgen für einen angenehmen Schlusspunkt.
Charakter: Ein würzige, nicht ganz harmonisches aber spannendes Family Cask. Das lebhafte und intensive Wechselspiel von trockenem Eichenholz, bitteren Kräutern und Schokolade wird mir noch länger genussvoll in Erinnerung bleiben. Wenngleich ich mir nicht sicher bin, ob ich von dieser Stilistik unbedingt eine ganze Großflasche bräuchte.
Bewertung: Die Art und Weise, wie dieses Family Cask hinten raus aufdreht, hievt es bei mir auf leckere 90 Punkte. Wohl wissend, dass ich mit 5cl längst nich alle Facetten dieses Single Casks kennenlernen konnte.
Hatte gerade eine noch verschlossene 1986 S18 in der Hand! Grübel, Blick auf die Base (gehört verboten) und jetzt trinke ich leckeres ostfriesisches kühles Leitungswasser. Auch nicht schlecht.
Die beiden Proben 1979 S18 und 1990 W18 direkt vor mir erwähne ich lieber erst garnicht. Das wird auch nix.
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Im Fallen lernt die Feder fliegen! (Usama Al Shahmani)