Glenfarclas The Family Casks 1994/2021 S21 Cask 1583 (WID 191997)
Farbe: Amontillado sherry
Nase: Von dem Saft reifer Orangen begleitet, ziehen vergleichsweise hellfruchtige und leicht wirkende Sherrynoten in die Nase. Waldhonig und leckeres süßliches Malz untermalen die interessante Fruchtcharakteristik. Helle und exotische Früchte treffen auf Beeren. Neben Birnen, Quitten und grünen Äpfeln gibt es viele Aprikosen, etwas Ananas, reife Kaki und Honigmelone. Frische süßliche Zitronen, die mich an Amalfizitronen denken lassen, bestärken die Zitrusfruchtnote. Im Hintergrund liegt Eichenholz. Es wirkt so, als würde es von einem dezenten Holzrauch umwabert. Außerdem muss ich an altes, leicht verstaubtes Segelleinen denken. Bei alledem durchzieht eine subtile Kräuternote die Nase. Thymian, Majoran und Kerbel kommen so dezent daher, als würden sie erst gar nicht auffallen wollen.
Mund: Der Tropfen trifft vergleichsweise klar und mit erstaunlich viel Dampf auf die Zunge. Exotische Früchte machen sich zwar von Anbeginn intensiv ans Werk, aber sie finden ihren Meister in einer enormen Pfefferfracht, die die Mundtemperatur schon frühzeitig nach oben schiebt. Ich finde es bemerkenswert, dass sich Honigmelone, Kaki, Ananas, reife Birnen und Orangensaft in Anbetracht der Würze überhaupt behaupten können. Nachdem Scheitelpunkt der Pfefferwelle unterspült immer mehr Malz und Getreide den Geschmack. Herbes, trockenes Eichenholz arbeitet sich nach vorne. Dazu gibt es immer wieder ein paar Spritzer vom Saft frischer grüner Zweige. Kräuter verstärken den leicht bitterlichen Geschmack. Ich meine, neben Thymian, Kerbel und Sauerampfer auch etwas Fenchel auszumachen. Im Übergang zum Finish gesellen sich Pink Grapefruit dazu.
Abgang: Das Finish ist mittellang bis lang. Der Pfeffer hinterlässt bis zum Schluss einen bleibenden Fußabdruck. Umso mehr gefällt es mir, dass die Früchte aus dem Geschmack nicht klein beigeben. Zumindest anfänglich sind Ananas, Honigmelone, Birnen und Orangen noch sehr präsent. Erst nach und nach übernehmen der immer trockener werdende, herbe Holzgeschmack und die Pink Grapefruit das Drehbuch. Bittersüß und würzig-herb fällt der finale Vorhang.
Charakter: Eine interessante Abfüllung. Die Nase täuscht einen leichten gefälligen Obstkorb vor. Wegen ihrer Leichtigkeit hätte ich gar auf ein 4th Fill Sherry Butt getippt. Besagten Obstkorb gibt es dann geschmacklich zwar auch, aber serviert wird er auf einem dicken Eichenbrett, auf dem jüngst eine Pfeffermühle explodiert ist. Da wird das Refill Sherry Butt im Sinne von ‚noch viel europäische Eiche‘ erlebbar. Ich fühle mich, als hätte mir Räuber Hotzenplotz überfallartig mit seiner Pfefferpistole einen aus hellen und exotischen Früchten bestehenden Früchtekorb in den Mund geschossen. Begleitend gibt es Kräuter, Eichenholz und hinten raus eine ausgeprägte Grapefruit-Bitterkeit.
Bewertung: Der kontrastreiche Auftritt schindet bei mir Eindruck. Mit einem Extrapunkt dafür schafft es dieses charaktervolle und wilde Family Cask auf 90 Punkte. Wenngleich mich der Geschmack nicht so sehr abholt, dass ich davon eine Großflasche bräuchte. Ganz abgesehen von dem Preis, der allein schon den Gedanken daran zunichte macht.
Nase: voll, schwer, etwas Pappe, Vanille, Süße, Alkohol gut eingebunden, kein Rauch, keine Fehltöne, Butterscotch/Karamell. So ein tolles Bukett hat man selten!
Geschmack (verdünnt probiert): Alkohol brennt zunächst etwas, vielleicht ist auch etwas Pfeffer/Chili vorhanden, erinnert fast mehr an ein Bourbon- statt ein Sherry Cask, wundervolle Süße, ganz leichte Bitterkeit (Zartbitterschokolade), ganz leichte Erdigkeit. Harmonisch. Komplex. Mouthcoating.
Bisher hatte ich vom Release S21 die Abfüllungen aus 1990,1991, 1994, 1996, 2001, 2004, 2005 und 2006 im Glas. Diese meisten Abfüllungen waren für meinen Geschmack nicht wirklich überzeugend. Diese Abfüllung 1994/S21 ist die erste, welche mich (vielleicht noch neben 1991/S21) wirklich begeistert. Wie zu erwarten, ist das keine Sherrybombe, aber ein tolles altes Family Cask mit einer sehr schönen Balance zwischen Fasseinfluss und Brennereicharakter. Die Aromenintensität ist für ein Refill Cask recht hoch. Wer nicht unbedingt eine Sherrybombe sucht, sollte sich ein Sample besorgen und dann ggf. eine Großflasche kaufen. Zum aktuellen Preis von 338 Euro (Link siehe unten) imho ein noch gerade akzeptables Preis-/ Leistungsverhältnis und durchaus eine Empfehlung.