Nase: Auf Anhieb wird klar, dass hier ein vergleichsweise junger Tropfen im Glas liegt. Das Malz präsentiert sich jedenfalls so, wie ich es bislang nur von recht jungen Abfüllungen kenne. Blind würde ich ob der Süße und Intensität auf 5-8 Jahre tippen. Der Islay-Torfrauch ist auch sofort da und zeigt einmal mehr, wie gut er auch Jungspunden steht. Statt eines qualmenden Holzfeuers offenbart er eine angenehme frische maritime Note. Ich muss an Algen und eine Prise Meeresgischt denken. Zitrusfrüchte gibt es kaum. Dafür schwingt unterschwellig eine leckere feine Räucherschinkennote mit. Schön, wie lebendig das satte Malz und der dichte maritime Torfrauch zusammenspielen. Der Alkohol ist wunderbar eingebunden. Hier sticht nichts in der Nase. Stattdessen kann man sich genussvoll auf einen imaginären Darrboden am Strand von Islay fallen lassen. Ich freue mich auf den ersten Schluck.
Mund: Bemerkenswert weich und ölig trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Genussvoll halte ich die intensive Getreide-Torfrauchmischung im Mund. Was für eine sanfte Intensität. Wie eine Faust im Samthandschuh. Langsam entfaltet sich die ganze Kraft: Pfeffer kribbelt in der genau richtigen Dosierung durch und erhöht die Spannung im Mund. Selbstredend zunehmend von maritimem Torfrauch eingenebelt. Etwas Karamell, Vanille und Räucherschinken laden zwischendurch geradezu zum Kauen ein und während die Würzigkeit im Mund zunimmt, setzen Zitrusfrüchte einen gekonnten Kontrapunkt. Zitronen und Grapefruit treten wie gerufen auf den Plan und wirken jederzeit perfekt abgestimmt. Das Eichenholz zeigt sich geschmacklich vergleichsweise spät. Hintergründig ist sie im letzten Drittel der Geschmacksentwicklung zwar immer präsent, aber so richtig durcharbeiten kann sie sich erst im Übergang zum Finish. Von schöner Grapefruit und einer Handvoll Mandeln begleitet.
Abgang: Das Finish ist bemerkenswert lang und eine konsequente Fortsetzung des Geschmacks. Ein Bett aus Eichenholz, etwas Karamell, ein wenig Vanille und feinem Räucherschinken, darauf von betörendem maritimen Torfrauch umspieltes sattes Getreide und Malz und schon sitze ich meiner Vorstellung genüsslich am Strand von Islay. Die Mandeln und vor allem die Grapefruit setzen alledem noch ein i-Tüpfelchen aus. Ist da ganz zum Schluß gar noch ein Schuß kalter Espresso? Egal. Der Moment ist so oder so gerade perfekt.
Charakter: Ein NAS-Rookie, der meine Erwartungen voll erfüllt. Statt eines Komplexitätswunders liegt hier ein richtig guter Jungspund im Glas, der zwar noch nicht die volle Klaviatur spielt, aber sich bei dem, was er macht, verdammt richtig anstellt. Sattes Getreide, Malz, maritimer Torfrauch, Räucherschinken und Eichenholz lassen sich nicht lumpen und werden gekonnt von Zitrusfrüchten, Karamell und Vanille begleitet.
Bewertung: Für mich ein junger Bilderbuch-Lagavulin. Schade nur, dass man sein Alter nicht beim Namen benennt. Und wenn es nur drei Jahre wären: dieser Knabe hier braucht sich nicht zu verstecken. Von mir gibt es satte 91 Punkte. Maritimer Torfrauch, Getreide, Räucherschinken und Grapefruit – diese Kombination holt mich in diesem Fall ganz arg ab.