Frucht: Waldhimbeere aus den Karpaten (Rumänien) Reifung: Glasballon (offen)
Preis: ~310€ (35cl) (07.2021)
Information: Für diesen Brand verwendet Rochelt wild wachsende Waldhimbeeren aus den rumänischen Karpaten. Diese werden üblicherweise im Oktober per Hand geerntet und per Kühltransport (ungefroren) nach Österreich zur Weiterverarbeitung befördert. Zweifach destilliert wird die Maische je nach Saison Ende Oktober bis Mitte November. Die Lagerung erfolgt in offenen Glasballons am nicht klimatisierten Dachboden der Brennerei.
Waldhimbeeren fallen im Vergleich zu Kultursorten üblicherweise deutlich kleiner aber aromenreicher wie intensiver aus. Aufgrund des etwas geringeren Zuckergehaltes ist die Ausbeute niedriger. Für einen Liter dieses Brandes werden bis zu 60kg Früchte aufgewendet. Zum Vergleich: Bei Kulturhimbeerbränden sind um die 30kg pro Liter üblich.
Auch dieses Jahr wurde ich zu meinem Ehrentag mit einem absoluten Traumbrand überrascht! Ich schwärmte letztes Jahr nicht zu wenig vom Jahrgang 2013 – welchen ich demnächst zum Vergleich verkosten werde – und dachte daher auch an, mich mit der diesjährigen Abfüllung selbst zu Beschenken. Mit der geschmolzenen Preisteigerung um knapp 17% zum ohnehin überzogenen Vorjahrsniveau war er es mir dann aber nicht mehr wert. Meine Frau sah dies dankenswerter Weise anders – dafür darf Sie auch mittrinken
Nase im Rochelt Schnapsglas Raumfüllend. Der Brand offenbart sich sofort als Himbeere. Süß, würzig, geradezu energisch. Dazu ein verträumtes (teilweise subtiles) Setting aus Harz, rosa Pfeffer, Eukalyptus und einigen „grünen“ (frische Zweige, Blätter) Aromen. Womöglich etwas Erde. Insgesamt vermittelt der Brand damit eher das Gefühl, in einem sommerlichen Himbeergarten zu stehen, als die reine Frucht vor sich zu haben. Vermutlich durch den Alkohol noch zart kühlend (die Nasenhaare kitzelnd). Gerade das Wechselspiel aus Fruchtsüße und den eher ätherischen Komponenten wirkt auf mich äußert animierend.
Gaumen Hier geht’s zur Sache! Beginnend mit etwas Pfeffer. Auch danach eher ungestüm mit mehr Harz, mehr Blattgrün und dominanteren ätherischen Aromen als die Nase vermuten ließe. Die Himbeere selbst kommt nur phasenweise in Kombination mit feiner Minze zum Vorschein. Die einzelnen Aromatiken wechseln sich in raschen Wellen ab. Schnell setzt massiver Speichelfluss ein der das Aroma zu verwässern droht.
Abgang Hier beginnt für mich das eigentliche Spektakel eines großartigen Himbeerbrandes: Langsam finden sich im Mundraum die bisherigen Aromen wieder ein welche in ihrem Zusammenspiel in einer unvergleichlichen Lebendigkeit gipfeln. Auf der Hinterseite der Zunge scheint plötzlich eine (unzerkaute) Himbeere zu sitzen! Sonnenwarm, frisch vom Strauch gepflückt, am Höhepunkt ihrer Reife. Selbst der leicht herbe, grüne Geschmack der kleinen Kerne ist deutlich präsent. Zum großen Glück will dieses Erlebnis nicht mehr von der Zunge zu weichen. Nach etwa 10 bis 20 Minuten am klarsten erscheinend, wird das Geschmacksbild nach einer halben Stunde merklich dumpfer, die Himbeere etwas verdorrt und leicht holzig; in etwa als würde man am übrig gebliebenen Stiel eines Himbeereises lutschen. Selbst nach 45 Minuten ist die Himbeere in der Ferne noch zu erkennen. So muss ein Abgang sein!
Kommentar So sehr ich einen Himbeerbrand schätze, so wenige sprechen mich wirklich an. Der Löwenanteil der mir bekannten Produkte tendiert speziell in der Nase in eine Essig-saure Richtung – für mich ein K.O. Kriterium. Umso mehr eine Freude, wenn solche Aromen im Endprodukt keinen Platz finden.
Rein dafür das Bankkonto zu plündern ist aber nicht notwendig, das können auch andere Brenner ganz hervorragend. Erwähnenswert für mich im speziellen die Waldhimbeere von Guglhof, welche deutlich zugänglicher, einfacher aber eben auch etwas weniger intensiv und lebendig als die hier besprochene ausfällt.
Neben der gespenstisch klaren Darstellung im Abgang hebt sich der Waldhimbeerbrand von Rochelt aber gerade dadurch von allem mir Bekannten ab, insofern er mehr zu liefern scheint als die reine Frucht. Fast, als hätte man nebst Unmengen Himbeeren noch etwas Waldessenz mit in die Flasche gepackt.
Die Nase liefert direkt die ersehnte Himbeere und teleportiert einen zugleich an ihren Ursprungsort. Am Gaumen fällt der Brand mit seiner immensen Kraft sodann völlig aus der Reihe, was ihn nach den ersten Schockmomenten aber umso spannender werden lässt. Die Achterbahnfahrt endet schließlich mit einer strahlenden Himbeere welche nicht mehr vom Gaumen zu weichen scheint. Traumhaft. Wer das reine Himbeer-Erlebnis sucht, wird mit diesem Brand wohl aber nicht bedient.
Momentan anregend temperamentvoll sollte er mit etwas Sauerstoff über die Monate (oder womöglich Jahre) etwas ruhiger werden.