Nase: Unzweifelhaft Craigellachie! vermelden die Riechzellen bereits beim ersten Schnuppern am Glas, in dessen Tiefen der karamellgoldene Malt ölige Kreise zieht. Da ist sie, die stets erkennbare Ananas in Sirup, aber nicht so vordergründig süß wie Dosenware, sondern frisch mit Zuckerwasser und Karamell angesetzt. Reife braune und leicht geschwefelte Bananen, Honigmelone und der für mich oft genauso Craigellachie-typische Stachelbeerkuchen auf Mürbeteig werden hier noch durch eine Schicht Buttercreme und Baiser-Häubchen ergänzt. Ab jetzt nehmen mich stets abwechselnd diese aromatischen Fruchtelemente und die auf ebenso charakteristische Weise alt und „positiv muffig“ wirkenden Eindrücke mit auf die Reise durch die 39 Jahre Reifezeit des Malts. Der Ananassaft wird aus einem kleinen Holzbecher gereicht, der die Süße der kräftigeren, härteren Stücke nah am Zentrum der Südfrucht mit einer herben Eichennote verbindet. Irgendwer hat in den Werthers Original Schokotoffees ein Anisherz versteckt. Und ein altes Ledersofa, das schon einige Zeit im Gewölbekeller steht, bringt ebenso die Holztöne seines Korpus mit öligen und ganz leicht salzigen Noten von Bienenwachs, Leinsamenöl und Fichtennadeln zusammen. Der Gesamteindruck lässt sich für mich am besten mit dem Wort „Reife“ zusammenfassen, erinnert bisweilen beinah an den oft zitierten Old Bottle Flavour und pendelt in seiner Aromatik stets zwischen Brennereicharakter und Fasserbe und damit zwischen Fruchtsirupsüße, sahnigem schwarzen Tee mit Vanille, einem bereits vor einer Weile erloschenen Streichholz und öligem Frischkäse mit Frühlingskräutern.
Gaumen: Stachelbeeren, Ananasstückchen und etwas herbe Orange leiten auch den Geschmack ein, mit einem ganz leichten Prickeln auf der Zunge, als hätten die Früchte bereits langsam begonnen zu gären. Erneut trifft die Frische von Anis auf sahniges Karamellsirup. Das Mundgefühl ist von einer cremigen Wachsigkeit geprägt, die mich zusammen mit dem Kräuterfrischkäse langsam erneut zu dem Ledersofa begleitet. Dabei bleibt Bitterkeit aber gänzlich aus, obwohl sich etwas Marzipanrohmasse, ein paar gemahlene Mandeln und auch einzelne erloschene Kohlen im Kamin bemerkbar machen. Stattdessen setzt sich nach und nach eine seidige Süße durch, je mehr die Flüssigkeit im Mundraum den Malt durchmischt.
Abgang: Auch das Finish bleibt diesem Eindruck treu. Keine Bitterkeit, stattdessen allenfalls das Herbe von frischer Vanilleschote, Kreide, Asche und Eiche, dazu eine ganz leichte, weinige Fruchtigkeit von Birnenschalen, Banane und Bienenwachs. Diese vermischten Eindrücke von altem Fruchtkompott begleiten die Erinnerung in ein langes und angenehmes Finish, bei dem Ananassirup und Vanillezucker am deutlichsten erhalten bleiben.
Bewertung: „Craigellachie pur“ mit allem, was man nach einer langen und harmonischen Reifung in einem Refill Hogshead erwarten möchte. Grundsätzlich ist das Profil durchaus mit dem allgegenwärtigen Craigellachie-Erbe beispielsweise eines 23ers oder auch des 31ers zu vergleichen, ist beim 39er für meinen Geschmack aber noch deutlich gereift. Denn auch wenn er insgesamt durch das höhere Alter auch markanter und intensiver daherkommt, wirkt er zugleich merklich runder – einige Teile des Fruchtkorbes treten zwar etwas zugunsten der dominanten Ananas in den Hintergrund, dafür sind aber auch die Schärfe und angedeuteten Bitterstoffe trotz des vergleichbaren Alkoholgehalts im 39er angenehm abgemildert. Andere Einzelfässer können sicher deutlichere Eindrücke an Frucht oder Weineinfluss liefern, aber hier stimmt für mich einfach die Balance eines alten und charaktervollen und dennoch nicht allzu muffigen oder eichenbetonten Fasses. Für mich ein Spitzen-Whisky!
--- "If you're lucky enough to enjoy a nice dram you're lucky enough"