Typ: Cognac Region: Grande Fine Champagne Produzent: Famille Navarre, Frankreich Jahrgang/Blend: 1925 Abgefüllt: Brut de Fut Alkohol: 42%vol Preis 750-800€ (2021)
Gemeinsam mit @Eneloop2009 konnte ich mich gestern erstmalig diesem Methusalem widmen, den ich neulich hier teilen durfte.
Nase: Mango³, reif, getrocknet, als Smoothie - jeder wie er will. Dann kommt direkt eine Zigarrenkiste oder ein edler Humidor, Tabak, Süßholz. Etwas leiser Grapefruit, Orangenschale und Pflaume. Mit der Zeit kommen viele Kräuter dazu, vor allem Oregano, und der gerade auf meinem Balkon blühende Zitronenthymian.
Gaumen: Zuerst wieder volle Mango, Zuckerwatte, dann aber direkt Tabak, Minze und Eichenwürze. All das in einer wahnsinnigen Aromendichte- und Konzentration.
Abgang: Ewig, süß, Mango gestützt von einer leicht kühlenden Mentholnote und Eiche.
Fazit: Zugegebenermaßen - ich hatte große Erwartungen. Waren doch der Navarre Vieille Reserve und der Reserve Imperiale meine bisherigen Spirit-Überraschungen des Jahres. Die Erwartungen wurden erfüllt - was für ein toller Cognac. Eine sensationelle, komplexe, sich verändernde Nase die aber trotzdem zu jeder Zeit erhaben, elegant und präsent bleibt. Im Mund hat mich die unglaubliche Aromendichte beeindruckt und die trotz fast 100 Jahren Fasslagerung erstaunliche Frische. Der Cognac wirkt keinesfalls überlagert, mit Eiche überfrachtet oder etwa fragil (wie man es beispielsweise den uralten, kürzlich erschienenen Malternative-Abfüllungen durchaus andichten könnte). Schön finde ich auch die Kontinuität zwischen Nase, Mund und Abgang mit der sich durchziehenden, über allem stehenden Mango-Note die durch die tollen Tabak und Zigarrenaromen ausgeglichen wird. Interessant hier auch die eindeutige DNA der Navarre Cognacs, ganz ähnliche Noten sind nämlich auch aus den jüngeren Geschwistern deutlich raus zu schmecken.
Ist dieser alte Schatz nun 7-8 mal so viel Wert wie ein Vieille Reserve? Das muss, wie immer, jeder für sich selbst entscheiden Ein großartiges, unbedingt lohnenswertes Geschmackserlebnis ist er allemal. Für mich vorerst 94 Punkte. Insbesondere den Gaumen muss ich mit meinem restlichen Sample noch besser erkunden, das ist aber auch harte Arbeit hier...
Vielen Dank für die großartige Teilung und das Sample von @Suevia
Geruch: Die Nase ist herrlich feingliedrig und erstaunlich frisch für einen 1925er-Jahrgang. Die wunderbaren Mangonoten mischen sich mit heller Traube, Veilchen und Gänseblümchen. Beim zweiten und dritten Testturchgang betört noch eine unglaublich intensive Pfirsichnote. Die ganz zarte Eiche und trockene Erdigkeit weisen den Weg ins hohe Alter. Mit der Zeit kommt noch Marille dazu, zartester Holzrauch. Vom Stil her eine Mischung aus dem Navarre'schen Souvenir Imperial und dem Renaissance von Guillon-Painturaud. Ein Hauch feinster Gartenkräuter. Erstaunlich, wie frisch-floral und hell-würzig dieser 1925er auftritt!
Geschmack: Sofort entwickelt sich eine exzeptionelle "florale Holzwürze" bei gleichbleibend heller Fruchtigkeit. Die Klarheit aus der Nase bleibt bestehen, die Würze v.a. der Eiche nimmt zu, jedoch nie überhand. Die hellen Fruchtnoten werden nun, ergänzend zur Mango, von reifer Marille bestimmt, die (kandierten) Veilchen sorgen wieder für das Florale. Eine zarte Staubigkeit macht sich breit. Bei diesem Cognac weist das Alter nicht den Weg in einen feucht-pilzigen Weinkeller, beim Ancestrale von Navarre bleiben wir ober der Erde und erobern die staubigen Ecken eines alten Steinhauses, in denen auch noch auf vergilbtem Zeitungspapier ausgelegte getrocknete Blumen und Kräuter auf uralten Eichendielen zu finden sind.
Abgang: Der Abgang ist wieder sanft wie die Nase, feingliedrig-frisch, floral und hell-fruchtig. Dieser uralte Cognac verweht gleichsam. Und nach einer Zeit weht der Wind abermals vorbei und trägt die Veilchen und zarten Früchte ebenso wie die trockenen Eichenaromen ins Gedächtnis. Man muss nur warten wollen.
Fazit: Dieser Navarre ist sehr einzigartig und ganz anders als so viele Dunkelfrucht- und Darkroom-Sämigkeits-Könige aus dieser Zeit. Die Frische, Fruchtigkeit (Mango!) und Floralität dieses alten Knaben ist mehr als erstaunlich. Und gibt einen herrlichen Einblick in die Idee von feingliedriger Fruchtigkeit der Groß- und Urgroßeltern-Generation. Für mich ein 96-Punkte-Vergnügen (96.5-96-96). Ein Stil, den man unbedingt kennenlernen sollte. Der "Fond de Verre", der nach wenigen Stunden schon fast eingetrocknete Rest am Boden des leeren Glases, entwickelt übrigens ganz großartige florale und holzige Aromen. Es lohnt sich, das Glas nicht sofort auszuspülen. Es eröffnet sich die Aromenessenz von fast hundert Jahren Cognacgeschichte.