Geruch: Der erste Eindruck: enorm exotisch-fruchtig mit Mango-Pfirsich und einer wunderbaren leichten Holzrauchnote. Ist damit dem Navarre VR nicht unähnlich (ein "Mittelding" zwischen VR und dem Souvenir Imperial sozusagen). Wird angenehm würzig mit Holznoten und einem Hauch Madeira, darin dem GP-Hors-d'Age nicht unähnlich. Im direkten Vergleich mit dem André von JLP wiederum wirkt der Renaissance noch pfirsichfruchtiger, mit herrlichem Eichenrauch. Und es kommt auch etwas Waldboden dazu. "Orangenöl!" würde ein geschätzter Kollege sagen. Recht hat er! Der Renaissance ist enorm elegant, intensiv, sehr klar und sauber.
Geschmack: Eine ganz feine Holzwürze mit wunderbaren Marillen- und Heu-Noten, auch die Exotika melden sich wieder. Erinnert mich spontan an den 1967er-Wu-Dram-Clan-Aurian. Sehr toll und fein! "Mandeln und Orangenöl" -- der Kollege hat schon wieder recht. Der Renaissance wird prickelnd und intensiv; superfruchtig auch am Gaumen mit viel Pfirsich. Die wunderbare Eiche grundiert das Ganze. Kommt "von unten" wieder mit einem zarten, schönen Aromenhauch.
Abgang: Der Abgang ist tatsächlich lang und erinnerungswürdig. Sehr toll.
Fazit: Ein exotisch-fruchtiger Cognac, der am Gaumen eine wunderbare Holzwürze entwickelt, sehr dicht in den hellfruchtigem Aromen wird und einen herrlich langen Abgang entwickelt. Das ist die Stärke naturbelassener Cognacs. Die Stärke des Renaissance ist auch die unglaubliche Klarheit in der Aromenpräsentation, da wird nichts überlagert, da ist nichts verschwommen. Bei absoluter Naturbelassenheit der Ausgangsessenzen stört auch eine zarte Reduktion auf 40% in keiner Weise. Die Aromenkraft vor allem im Abgang ist erstaunlich und erstaunlich schön. 96 Spiritheavenpunkte (96-96-96.5) und wieder eine neue, sehr tolle Cognac-Variante.
Nase: Die Nase ist auf Anhieb unheimlich fruchtig. Orangenöl und leckere Zitrusfrüchte machen den Anfang. Ich muss an Zitronen und Pink Grapefruit denken. Traubenkerne deuten sich an, während immer mehr Aprikosen und Pfirsiche durchkommen. Begleitet von leichten Madeira-Noten. Zaghaft schimmern Erdbeeren und etwas Leder durch. Für einen Moment erhasche ich eine wachsige Note. Jetzt sind auf einmal frische grüne Äpfel in der Nase. Dieses hin und her gefällt mir ausgesprochen gut. Mit der Zeit wird die Nase etwas buttriger. Karamell deutet sich an.
Mund: Ölig und bemerkenswert intensiv trifft der Tropfen auf die Zungenspitze. Wow. Was jetzt folgt, gleicht einer Geschmacksexplosion: Orangenöl und Orangen fluten zusammen mit immer mehr Pfisich den Mund. Zeitgleich sorgen weißer Pfeffer und Eichenholz für ordentlich dampf. Es prickelt ausgesprochen intensiv und lecker auf der Zunge. Reife Mango und grüne Bananen ergänzen hervorragend den von Orangen und Pfirsichen dominierten Früchtekorb, während die Assoziation eines alten Weinkellerbodens, die holzig-herbe Seite dieses guten Tropfens treffend ergänzt. Auch geschmacklich sind Madeira-Noten präsent. Das berühmte Rancio? Wie auch immer: beim zweiten Schluck kommt das beeindruckende Eichenholz gar noch etwas besser zur Geltung. Mit einem Hauch von Tabak, etwas Karamell und ein paar frischen Spritern Grapefruitsaft, geht es nahtlos ins Finish über.
Abgang: Auf unheimlich viel Orangenöl gebettet, klingen weißer Pfeffer und würziges Eichenholz nach. Alles wirkt wie von einer leichten Staubschicht durchzogen. Zum Schluß dreht die Abfüllung noch einmal richtig auf. Das hätte ich bei 40%Vol. so nicht erwartet. Frucht- und Holznoten sind unheimlich schön verwoben. Und zwischendurch blitzt hin und wieder etwas Lavendel durch.
Charakter: Ein unheimlich eleganter und sauber wirkender Cognac. Auf eine gewisse Art gar puritstisch. Dennoch abwechslungsreich. Das vortreffliche Zusammenspiel von Orangenöl, Pfirsichen und dem Eichenholz wird mir noch lange gut in Erinnerung bleiben. Nach 5cl setzt sich der Eindruck, dass es eine größere Probiermenge und mehr Zeit bräuchte, um diesem Tropfen gerecht zu werden. Wer einen lupenreinen Cognac sucht, der mit intensiven Frucht- und Holznoten aufwartet, dürfte bei dem Renaissance gut aufgehoben sein.
Bewertung: Selten hat mich eine Spirituose mit 40% Vol. derart beeindruckt. Ein rundum schöner Cognac. Vorbehaltlich dessen, dass ich mit diesem Terrain noch nicht sonderlich gut vertraut bin, gibt es von mir nach zwei genussvollen Probierabenden satte 91 Punkte. Tendenz 92.