Geruch: Der erste Eindruck ist malzig, rauchig, leicht schwefelig. Das könnte ein Laphroaig sein; oder auch ein Longrow *räusper*. Es folgen zarte Vanille- und Traubenaromen; das Bourbonfass lässt grüßen, würde ich meinen. Mit der Zeit werden salzige Noten stärker und auch die Eiche meldet sich vernehmlicher zu Wort. Die Balance zwischen Hellfrucht, Würze und Rauch bleibt immer gewahrt. Die 41,8% fügen sich sehr harmonisch in das ruhige und dennoch intensiv-würzige Gesamtbild. Sehr gelungen.
Geschmack: Am Gaumen wird der Malt zu Beginn sehr traubensüß und vanillig, der Schwefelhauch tritt in den Hintergrund. Malzig. Majoran, Thymian und etwas Kerbel treten vor den Vorhang, begleitet von ein paar Salzkörnern. Etwas Marille und reifer Pfirsich tauchen auf am Aromenhorizont. Die Eiche wird vernehmlicher, jedoch nie zu dominant. Die Textur bleibt angenehm leicht-ölig. Passt.
Abgang: Der Ausklang ist ebenfalls sanft und nicht ganz so lang. Die Kräuterwürze ist nun intensiver, die Eiche wird im mittellangen Abgang dominanter. Das ist der einzige Moment, bei dem sich die relative Jugend bemerkbar macht. Direkte Bitterkeit kommt nie auf, der würzige Abgang verhaucht relativ schnell.
Fazit: Diese Überraschung ist gelungen, denn der Old Raven 2011 (2021) Lockdown ist für mich ein 91-Punkte-Malt (92-91-89) und damit der beste österreichische Whisky bisher. Der intensive "Islay-Ex-Bourbnonfass-Charakter" ist absolut gelungen, die vanillige Fruchtigkeit am Gaumen sehr schön, die nie hitzige, dafür fein-ölige Textur äußerst angenehm. Einzig im maximal mittellangen Abgang wird die Eiche dominanter, bleibt aber im Rahmen des Angenehmen. Ein sehr feiner Tropfen. Gerade recht für Lockdown-Tage :-)
Die Sherryfässer, die laut Whiskybase ebenfalls und mehrheitlich beteiligt waren, merke ich kaum; es dominieren eindeutig die Ex-Bourbonfass-Aromen. Ich stimme manchen Usern auch zu, dass der Malt mit 46 oder 48% vielleicht (v.a. im Abgang) noch präsenter wäre. Man kann die Aromen aber auch in der vorhandenen leichten Harmonie genießen, es muss nicht immer Fassstärke sein.
Aussehen Helles Rostbraun. Viele Legs suchen sich relativ zügig den Weg am Glasrand hinab. Der Whisky zeigt eine mittlere Viskosität im Glas.
Nase Campbeltown ähnlich mit etwas „dreckigen“ leicht rauchigen Anklängen gleich zu Beginn. Das Sherryfass zeigt sich mit appetitlichen Nuss-Nugart und Brombeermarmelade Noten sowie auch mit leicht süßlichem Karamell. Nach ein paar Minuten im Glas und Sauerstoffzufuhr kommen auch Leder- und Tabakaromen zum Vorschein. Etwas Frisches wie Menthol oder Minze blitzt immer wieder dezent auf, nicht unangenehm in Verbindung mit der Nuss-Nugart Schokolade. Unterschwellig die ganze Zeit präsent sind getrocknete Wald- und Küchenkräuter wie Oregano, Thymian und Majoran. Vom verwendeten Bourbonfass bekomme ich eher weniger zu fassen. Wenn dann eine feine und zarte hellfruchtige, fast schon Weintrauben ähnliche, Nuance die am Rand dahin schwebt und die Kräuternoten schön unterstützt.
Geschmack Der Malt beginnt mit einem sehr cremigen, fast schon buttrigen Mundgefühl. Eine feine Süße ist da. Die bereits in der Nase erkannte Ähnlichkeit zu der typischen leicht schmutzigen Campbeltownnote ist im Geschmack fast noch deutlicher wahrzunehmen. Rauchig aber nicht stark, fast schon so etwas muffig, alt. Könnte dies der Brennereicharakter oder vom Holz der Fässer stammen? Dann übernimmt rasch die Nussschokolade sowie die Kräuter. Auch das alte Leder und der feuchte Tabak aus der Nase ist zugegen. Von der Brombeerenmarmelade ist jetzt im Geschmack eher weniger zu merken. Insgesamt sehr harmonisch und ausbalanciert zwischen der Süße und den herben würzigen Bestandteilen komponiert.
Abgang Das Finish ist zumindest mittellang. Wenig bis fast keine Bitterstoffe aus den Fässern erkennbar. Die Tabakaromen und die Muffigkeit sind nun dominant und bleiben am Längsten spürbar im Mund haften.
Fazit Die dritte Abfüllung von Old Raven in meinem Glas, die erste nicht fassstark. Und auch diese weiß zu gefallen. Die knapp 42% reichen meiner Meinung nach völlig aus. Auch im Geschmack kommen die Aromen gut zur Geltung. Für mich dominiert hier das Sherryfass über dem Ex-Bourbon Cask ohne aber zu überpowern. Rund und ausgewogen, wenn auch mehr auf der würzigen und nussigen Seite. Lecker und sehr süffig. Auch ohne geselliger Runde kann hier eine Flasche im nächsten Lockdown rasch leer werden.
@StyrianSpirit so unterschiedlich und subjektiv sind Geschmäcker. Ich hatte hier wirklich mehr Sherry als Ex-Bourbon Einfluss. Interessant.