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Armagnac aus der Sicht eines Whiskygenießers - die Blog-Reihe Teil 2

Armagnac aus der Sicht eines Whiskygenießers - die Blog-Reihe Teil 2

22.07.2019 12:01




Hier ist er nun, der zweite Beitrag unserer Blog Reihe Armagnac aus der Sicht eines Whiskygenießers.
StyrianSpirit führte ein Gespräch mit Denis Lesgourgues, einer der Inhaber und Geschäftsführer am Chateau de Laubade, über Whisky, Armagnac und die schönen Dinge des Lebens.

Das obige Bild zeigt wie ältere Armagnacs nach 40 bis 50 Jahren in Eichenfässern in Glasballons(„Demijohns“ oder „Dame-Jeannes“) im sogenannten "Paradies" gelagert werden.
© Mr Flavio Pagani


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Denis Lesgourgues, einer der Inhaber und Geschäftsführer am Chateau de Laubade © Mr Michel Carossio


Wenn Sie persönlich Armagnac mit Scotch, insbesondere Single Malt, vergleichen, was sehen Sie als den größten Unterschied – abgesehen vom Rohstoff Getreide oder Malz im Gegensatz zu Trauben oder Wein –, besonders während des Genusstaktes selbst?

Ich glaube, dass es bei Armagnac um das authentische Profil des Trauben- bzw. Weinaromas geht, gemischt mit den Aromen aus der Eichenalterung. Armagnac ist kräftig, reichhaltig, trocken, aber dennoch rund und sehr, sehr lang, wenn die Qualität und das Alter hoch sind; 10 Jahre plus und vieles mehr.

Was sollte ein Single-Malt-Liebhaber nicht von Armagnac erwarten?

Wahrscheinlich einen Spirit mit „hartem Antritt“, straight und aggressiv. Das ist nicht Armagnac. Er sollte auch nicht erwarten, Torf und starke Rauchigkeit zu finden.

Wenn Sie „aggressiv“ sagen – wie meinen Sie das? Trinken Sie manchmal selbst gerne Single Malt?

Manches Mal genieße ich sehr gerne einen guten Whisky. Der Hauptunterschied könnte die „sehr robuste Attacke“ des Single Malts sein, wenn der Whisky seinen ersten Eindruck im Mund entfaltet. Ein feiner Armagnac ist wahrscheinlich eher „auf der runden Seite“.

Ist es auch ein Unterschied, dass man zu einem Armagnac kein bisschen Wasser geben sollte?

Das ist ein guter Punkt. Letztes Jahr brachte ich eine Gruppe von KollegInnen aus zwölf älteren Armagnac-Häusern und -Familien in die Speyside nach Schottland und wollte, dass sie sehen, was dort los ist. Eines Nachts probierten wir im Hotel eine schöne Auswahl fassstarker Whiskies – und der Kellner bot uns Wasser zur Verdünnung an. Es war einfach fantastisch, denn der Whisky offenbarte mit ein paar Tropfen sein volles Aroma, Geschmack und Profil. Und wir sagten: Lasst uns das auch mit Armagnac versuchen. Es hat tatsächlich nicht funktioniert. Und meiner Meinung nach funktioniert es auch nicht bei Armagnacs mit Fassstärke.

Warum, denken Sie, ist Armagnac in Frankreich nicht so verbreitet und „verstanden“ wie Single Malt?

Dazu gibt es gibt ein paar ganz einleuchtende Erklärungen. Eine Geschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg war es in Frankreich sehr beliebt, Whisky zu trinken. Whisky war das neue Getränk und vermittelte dieses Lebensgefühl auch über das Kino – viele berühmte Schauspieler tranken eine Flasche Scotch Whisky. So etablierte sich Whisky in den Fünfzigern sehr stark, man konnte Whisky auch als Aperitif trinken oder man konnte ihn mischen oder was auch immer. Es war nicht der Zug der Zeit für Cognac und Armagnac. So begannen die Franzosen, Whisky zu trinken, und es entwickelte sich ein riesiger Markt. Jedoch eher für billigen Whisky zum Mixen mit Coca-Cola oder womit auch immer. Nach einigen Jahren wurde es für die Franzosen normal, Whisky als Aperitif trinken. Wenn Armagnac oder Cognac als ebenso perfekter Aperitif ins Bewusstsein der Franzosen und damit in Mode gekommen wäre, hätte dasselbe mit diesen Spirituosen geschehen können. Aber es ist nicht passiert. Das ändert sich nun, aber die Gewohnheiten in unserer Gesellschaft sind sehr verfestigt.

Auch im Markt der Edelspirituosen konsumieren die Franzosen eine große Menge Single Malt. Mit 20 oder 25 Jahren tranken sie viel gemixten Whisky, sobald sie mehr Geld verdienen und älter werden, wechseln sie zu den „besseren“ Whiskies. Aber die erste Prägung erfolgt jedenfalls auf Whisky. Armagnac und Cognac sind bei den jungen Menschen, den 20- bis 25-Jährigen, jedenfalls viel weniger beliebt. Das macht es schwerer, neue Armagnac-Konsumenten zu gewinnen. Das Gleiche gilt übrigens für den Wein: Ein zuckerhaltiger Wein ist natürlich nicht der beste der Welt. Aber das bringt junge Verbraucher erstmal zum Wein – und wenn diese Jungen dann 30 oder 40 Jahre alt werden, trinken sie keinen süßen Weißwein mehr, sondern trockenen Rotwein.

Die Bemühungen mit der Einführung von Blanche Armagnac und qualitätsvollen jüngeren Armagnacs, das Getränk auch als Mixgetränk und Aperitif attraktiver zu machen, gehen in diese Richtung?

Auf jeden Fall, wir arbeiten daran. In unserer Destillerie haben wir auch viele jüngere Armagnacs, die sich hervorragend zum Mischen oder als Longdrink eignen. Zum Beispiel sind Armagnac und Tonic eine hervorragende Kombination. Für solche Zwecke verwenden wir fruchtigere Armagnacs mit weniger Eiche und eher blumigen Noten, denn solche Armagnacs eignen sich wirklich sehr gut für Cocktails. Wir haben bereits vor fünfzehn Jahren damit begonnen, diese Entwicklungen zu fördern. So wird Armagnac in den besten Lokalen der wohlhabendsten Hauptstädte Europas und Nordamerikas wie Paris, London, Berlin und New York immer öfter auch in Cocktails verwendet.

Zurück zu den Wurzeln: Wie würden Sie einen „traditionellen Armagnac“ definieren?

Meiner Meinung nach sollte sich ein „klassischer Armagnac“ durch höchste Qualität auszeichnen. Ein klassischer „traditioneller Armagnac“ sollte sehr angenehm und rund sein, mit guter Komplexität, schönen Aromen in der Nase und im Mund. Und ein traditioneller Armagnac sollte immer sehr lang sein im Mund. Das ist überhaupt ein Kennzeichen hochwertiger Produkte; billige Spirits verschwinden geschmacklich sehr schnell aus dem Mund.


In einem der Lagerhäuser (Chais), in dem die Armagnac-Fässer für Jahre und Jahrzehnte reifen. © Mr Flavio Pagani


Welche Zusätze sollten denn erlaubt sein, welche Regulierungen sind sinnvoll?

Es gibt sehr strenge Vorschriften für Armagnac, ähnlich wie bei Cognac. Man wird kontrolliert in der Verwendung der Trauben, bei der Destillation und im Reifeprozess. So darf man keine anderen Trauben als die definierten oder eine andere Holzart als französische Eiche verwenden, und man muss den Spirit in Holzfässern reifen lassen und darf keine anderen Tanks verwenden. Es gibt die Möglichkeit, eine kleine Menge an Karamell und Zucker zu verwenden, gleichsam zur „Abrundung“ des Geschmacks. In unserem Hause verwenden wir jedoch bei all unseren Armagnacs keinen Zucker. Ich finde es sehr wichtig, dass die Vorschriften so streng sind. Schauen Sie sich die Rums an – da gibt es so viele verschiedene Stile, das ist für die Verbraucher sehr verwirrend.


Chateau de Laubade, erbaut 1870, seit drei Generationen im Besitz der Familie Lesgourgues. © Mr Flavio Pagani


Laubade produziert Armagnacs in den meisten Fällen mit „nur“ 40%. Warum ist das so?

Mein Vater und mein Großvater – wir sind die dritte Generation unserer Familie am Chateau de Laubade – haben immer gesagt, dass es diese fantastische Balance und die beste Armagnac-Wahrnehmung bei etwa 40 bis 42% gibt. Den meisten dieser Einschätzungen muss ich zustimmen. Viele Fassstärken in der Vergangenheit waren sehr aggressiv, wurden unzureichend belüftet und in nicht geeigneter Weise hergestellt. Nun gibt es schon größeres Know-how, etwa in der Belüftung der Lager, um sicherzustellen, dass fassstarke Armagnacs richtig altern können. Seit zehn Jahren bieten wir auch eine eigene Cask-Strength-Serie unserer Jahrgänge an. Ganz ohne „aggressive Noten“, für die Hedonisten und jene Menschen, die den vollen Geschmack von Armagnac erleben wollen.

Wir destillieren zwischen 56 und 63%, je nach Traubensorte. Folle Blanche zum Beispiel wird mit 62% destilliert, da dies ein sehr feines aromatisches Profil ergibt. Jedes Jahr verlieren wir 0,2 bis 0,3 Prozent Alkohol an den „Angels Share“ und rund 2,5 bis 3,0 Prozent an Volumen. Nach 10 bis 20 Jahren geht somit etwa ein Viertel des ursprünglichen Volumens von Armagnac verloren. Die Herstellung von Armagnac kostet viel Geld, weil es sich eben um einen natürlichen Prozess handelt.

Sie definieren Ihr Unternehmen als „innovatives Unternehmen“. Ein Beispiel: Ihre „neuen Wachssiegel“ sind sehr fein ...

Für viele Menschen waren die älteren Wachssiegel wirklich sehr frustrierend zu öffnen. Also haben wir uns gefragt: Was können wir tun? Wir haben in den USA einen Whisky, „Maker's Mark“, gesehen, der öffnet sich sehr leicht, aber es wird ein „billiges, chemisches Wachs“ verwendet, es ist kein natürliches Wachs. Aber wir wollten ein natürliches Wachs für unseren Armagnac und mussten eben einen Weg finden.


Weinberge am Chateau de Laubade: Hier wächst der Rohstoff für den Edelbrand. © Chateau de Laubade


Es ist schon überraschend, dass Armagnac bei so vielen Menschen, insbesondere bei Single-Malt-Liebhabern, so wenig bekannt ist. Die sind dann immer sehr überrascht von der schieren Qualität dieses „terroirgetriebenen“ Geistes ...

Sie wissen ja: Die schöneren Dinge im Leben sind nicht immer die bekanntesten ... So ist es bei Getränken, in der Kunst oder der Architektur. Es geht darum, die Menschen frei zu machen und zu begeistern – und das ist schon ein Teil der Schönheit.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview und Aufbereitung: StyrianSpirit

www.chateaudelaubade.com

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