Geruch: Nach einer Stunde im Premium Snifter kommen zuerst die farclastypischen Honignoten, es folgt die Backstube, ehe ein mild-intensiver Sherry das Aromenbukett von der Fassseite her vervollständigt; die Früchte gehen Richtung vollreife Marille und saftiger Pfirsich. In der zweiten und dritten Welle folgen etwas Zimt, etwas Buchenholz und eine ganz zarte Minzfrische.
Erstaunlich ist die Dichte dieses "hellen Sherrys". Das sind nicht die ganz dunklen Früchte, keine reife Pflaume und kein Zwetschkenröster, aber auch nicht die typischen "Bourbonfass-Isabella-Trauben". Eine wunderbar eigen-fruchtige Nase, wie schon angedeutet reifer Pfirsich und Marille, etwas Birne. "Ist das nicht ein Armagnac?" fragt die beste Ehefrau von allen. "So fruchtig!" Da ist was dran. Je länger man diesen Malt verriecht, desto fruchtiger wird er. Und desto intensiver meldet sich auch der Sherry.
Geschmack: Im Erstauftritt stehen milder Sherry und reifer Pfirsich im Vordergrund, darübergeträufelt etwas dunkler Waldhonig. Dieses Potpurri wird ergänzt um etwas Zimt und Zedernholz, eine Spur Anis kommt dazu. Absolut cremig im Mundraum, auch die zarte Mentholnote belebt die Szenerie. Die perfektesten "nur" 43% ever.
Abgang: Lang und wärmend bleibt dieser Glenfarclas im Mundraum und in der Kehle präsent. Und in der Erinnerung. Wirklich erstaunlich, wie lang sich diese Steinfrucht-Honig-Mischung mit etwas Zimt-Eiche und Gewürzen hält.
Fazit: Dieser Malt braucht nichts so sehr wie Zeit und Sauerstoff. Dann eröffnet sich wieder ein vollkommen neues Family-Cask-Aromenspektrum. Das Großartige an diesen Abfüllungen ist, dass der Destilleriecharakter immer erkennbar bleibt, auch wenn die Fässer für eine ganz unverkennbar eigene Charakteristik sorgen (so man sich nicht auf "Oloroso-Sherry-Kracher" versteift und die 4th-Fill- und älteren Refill-Fässer ignoriert). Ein grundlegend guter Familiencharakter zeigt sich halt im Erwachsenenleben in jeder Form -- egal, ob das Kind nun mit einem Sport-, Medizin-, Maschinenbau- oder Literatur-Studium erwachsen geworden ist ...
Ein Family-Cask--Experte auf der Base schreibt, dass in diesem Refill-Hogshead aus 1985 die "typischen Paxarette-Aromen" zu finden seien. Ok, wenn das nun Paxarette ist, dann mag ich das auch :-) 95 Gesamtpunkte (95-95-95), ohne mit der Wimper zu zucken.
Geruch: unverkennbar Sherryeinflüsse, reife Süßkirchen, eine zarte Säuerlichkeit, die Assoziation nach Mon Cherie, mit der Zeit erscheinen Honignoten in Begleitung von zarten Eichenaromen (getrocknetes Heu), nach weiteren Minuten werden die Holzeinflüsse deutlicher erkennbar, vergilbte Bücher, frische Sägespäne, später ... oh ha - Schaschlikspieß, deftige Wiesenkräuter, Kuhstall
Geschmack: sehr, sehr weich, viel Fruchtsüße, wieder die vollreifen Süßkirschen, Mirabellen, Aprikosen, eine Welle dunkler Honig, ja, der Gaumen ist die wahre Stärke dieser Abfüllung, alter Geselle jung geblieben
Abgang: langer Abgang (im Sinne ausschleichend), Honig, Fruchtsüße, Honigmelone, zarter, aber anhaltender Eicheneinfluss, der einmal eingeladen nicht mehr gehen will
Fazit: ich gebe eine 1- (Liebling) in meinem Bewertungsschema, absolut gut trinkbar, auch für Anfänger - denkt man anfänglich, der Whisky wirkt trotz des hohen Alters am Gaumen maximal mittelalt, die Begleiterscheinungen in Nase und Abgang machen dem geneigten Geniesser dann aber doch klar, dass eine gewisse Reife nicht zu verleugnen ist, dies merkt aber nur, wer sich Zeit lässt und über ein gewisses Maß an Geduld verfügt.
Slàinte Mhath
Und: Ich mag KEINE Blindsamples und Busse und aus der 100-Punkte-Bewertung habe ich mich verabschiedet.